Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08
aufgekündigt. Ihrer Überzeugung nach hatte ihre Verführung durch die Tänzerinnen des Meeres – ihre Anfälligkeit für solche Begierden – ihre Unwürdigkeit bewiesen. Die Opfer, die sie für ihren Schwur bringen mussten, waren unerträglich geworden. Unsere Narretei muss nun aufhören, ehe als Folge größere Versprechen als unsere falsch werden.
... ohne betroffen zu sein. Plötzlich erkannte Linden, dass Stave eine ähnliche Wahl getroffen hatte, als er sich zu ihrem Freund erklärte. Er hatte dem erwählten Dienst der Meister die Gefolgschaft aufgekündigt. Vielleicht hatte Liand die Wahrheit geahnt, als er behauptet hatte, die Meister fürchteten sich vor Schmerz und Leid. Als Volk hatten Stave und seine Blutsverwandten schon allzu viel durchlitten.
Mit ihrem Mitgefühl mit dem ehemaligen Meister spürte Linden ihren eigenen Kummer zurückweichen. Er verlor nichts von seiner Gewalt; das würde er wohl nie tun. Trotzdem schien er weniger drängend zu werden. Staves Worte und Opfer hatten einen Freiraum geschaffen, in dem sie ihre Tränen beherrschen, nachdenken und sich um ihre Freunde kümmern konnte.
»Du hilfst mir bereits«, erklärte sie Stave mit so fester Stimme wie nur möglich. »Du bist hier. Das brauche ich jetzt am meisten.«
Als der Haruchai ihre Antwort mit einem Nicken akzeptierte, wandte sie sich Mähnenhüter Mahrtiir und seinen Seilträgern zu: »Ich weiß, dass es schlimm für euch ist, von Stein umgeben zu sein«, begann sie. Ein leichtes Zittern in der Stimme verriet ihre Zerbrechlichkeit, aber sie fand Halt an Mahrtiirs furchtlosem Kriegerblick und klammerte sich an die Erkenntnis, die sie Stave verdankte. Dabei entdeckte sie, dass sie in der Aura der Ramen – und auch in Liands – mehr sehen konnte als magisch erneuerte Vitalität und beschützende Sorge. Unter der Oberfläche wurden ihre Gefühle durch Andeutungen einer subtileren Unbehaglichkeit kompliziert. Seit Linden und Mahrtiir auseinandergegangen waren, war irgendetwas passiert, das sie beunruhigte.
»Aber wir haben viel zu besprechen«, fuhr sie fort. »Sind wir damit fertig, werde ich euch nicht bitten, noch zu bleiben. Wir ziehen morgen früh wieder gemeinsam hinaus.«
Bhapa neigte seinen Kopf, als sei er mit allem zufrieden, was Linden entschied. Aber Pahni starrte sie weiter mit Resten von Besorgnis in ihren dunklen Augen an. Sie ließ eine Hand auf Liands Schulter ruhen, als vertraue sie darauf, dass er sie stützen werde ... oder fürchte um ihn wie um Linden. Allein Mahrtiir blieb wachsam wie ein Raubvogel; er beobachtete Linden, als erwarte er, von ihr die Namen ihrer Feinde zu hören: seiner Beute. Die ganze Art des Mähnenhüters ließ auf unvorhergesehene Ereignisse schließen. Trotzdem verriet seine Reaktion darauf einen Eifer, den seine Gefährten nicht teilten. Sein Benehmen stärkte Lindens Fähigkeit, die Auswirkungen ihrer Konfrontation mit Covenant und Jeremiah zu tarnen.
Dann erwiderte sie Liands Blick und sprach ihn zuletzt an, weil seine schlichte Sorge und Zuneigung ihren Schmerz direkt anrührten: »Liand, stell mir bitte keine Fragen.« Auch er wirkte unter der Oberfläche unruhig, verriet aber nichts von dem Eifer des Mähnenhüters – und wenig von Pahnis Angst. »Ich erzähle dir alles, was geschehen ist. Ich erzähle dir, was ich dagegen zu unternehmen gedenke. Aber für mich ist es leichter, wenn ich einfach nur sprechen kann. Fragen machen es mir schwerer, mich zu beherrschen.«
Liand rang sich ein schiefes Lächeln ab. »Ganz wie du möchtest. Wie du weißt, kann ich schweigen. Aber lass mich nur sagen, dass mich seit meinem Weggang aus Steinhausen Mithil keine Gefahr und kein Einsatz von Macht, keine Entdeckung und keine Notlage zu unerwartet getroffen hat wie die häufige Aufforderung, den Mund zu halten.« Er lächelte schief.
Verdammt, dachte Linden, als ihre Augen feucht zu werden begannen, er hat es wieder geschafft. Die ungekünstelte Galanterie seines Versuchs, zu scherzen, ließen sie erneut mit den Tränen kämpfen. Schnell wandte sie sich ab und machte sich an dem Kaminfeuer zu schaffen, wo sie unnötigerweise Holzscheite mit ihrer Stiefelspitze hin und her schob. Über die Schulter hinweg sagte sie heiser: »Setzt euch bitte. Esst und trinkt, worauf ihr Lust habt. Wir haben alle einen langen Tag hinter uns. Ich will euch von Covenant und Jeremiah erzählen – und das wird schwer für mich. Aber wir haben es nicht eilig. Wir können uns ein wenig Zeit lassen.«
Ihre
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