Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08
größer, und ihre Selbstsicherheit hat unsere Qualen leicht verringert. Das wurde unserer Ansicht nach durch die Bewegung der Zeit innerhalb der Zäsur ermöglicht, denn wir haben nicht versucht, gegen die Strömung des Wirbelwinds anzukämpfen.«
Linden nickte. Ja, das klang vernünftig. Vor einigen Tagen war sie zu der Überzeugung gelangt, die Zugstraße des vorübergehenden Tornados jedes Sturzes führe aus der Vergangenheit in die Zukunft. Mahrtiir bestätigte, was sie vor dreitausend Jahren auf ihrem Weg von den Ausläufern des Südlandrückens bis zu dem Brachland vor den Toren von Schwelgenstein empfunden hatte.
Indem sie sich der Frage, die Covenant ihr zu stellen geraten hatte, nur schrittweise annäherte, fragte sie vorsichtig: »Wie steht es mit dir, Stave? Kannst du noch etwas ergänzen?«
Der frühere Meister antwortete nicht gleich. Vielleicht wog er unter seinem zur Schau getragenen Gleichmut die Risiken ab und versuchte, die mögliche Wirkung seiner Antwort auf Linden zu bewerten. Doch als er schließlich sprach, verriet sein Tonfall nichts von derartigen Überlegungen: »Was der Mähnenhüter und ich geschildert haben, will ich nur durch eine Beobachtung ergänzen. In dem zweiten Sturz war die von Verzweiflung und Wahnsinn besessene Frau nicht mehr da. An ihrer Stelle habe ich dich auf Hyn sitzend gesehen. Du hast solch wilde Magie verschleudert, dass man davon Angst bekommen konnte. Wie beim ersten Durchgang habe ich mich zu der Magieverbreiterin hingezogen gefühlt. Aber ich habe mich erneut ferngehalten.«
Also gut. Stave hatte zweimal seine persönliche Integrität gewahrt. Wie die Ramen konnte er Linden nicht sagen, was sie wissen musste.
... frag den Bauernlümmel ...
Liand hatte Covenants Spott nicht verdient. Sie stand weiter dem Kaminsims zugekehrt, als wolle sie ihre Stimme dämpfen, ihr Herz verbergen. »Und du, Liand? Du hast den Stab getragen. Das muss einen Unterschied gemacht haben.« Das musste es, denn der Stab war in der Lage, im wirbelnden Chaos der Zäsur eine kleine Zone zu schaffen, in der das Gesetz weiter gegolten hatte.
»Linden ...«, begann Liand, doch dann versagte ihm die Stimme. Sein Zögern reizte ihre Nerven, ihre Haut, aber ihr Wahrnehmungsvermögen allein konnte ihr nicht sagen, was er sagen wollte und weshalb er zögerte, es auszusprechen. »Bitte«, sagte sie leise, fast flüsternd. »Ich muss es wissen.«
Sie spürte, wie er einen neuen Anlauf nahm ... und wie die Ramen ihn mit sorgenvollem Blick betrachteten. Stave musterte den Steinhausener gleichmütig. Nur Anele aß und trank weiter, als nehme er seine Gefährten gar nicht wahr.
»Dann muss ich erzählen«, fuhr Liand unsicher fort, »dass ich in der Zäsur auf Rhohm über eine endlose Ebene aus bitterster Leere und Kälte geritten bin. Obwohl ich ihn nicht sehen konnte, spürte ich um mich herum einen Schwarm von Hornissen, von denen jede mich durchbohren und verschlingen wollte. Und gleichzeitig ... Gleichzeitig«, wiederholte er lauter, »hatte ich den Eindruck, in dir enthalten zu sein – als säße ich auf Hyn statt auf Rhohm und als schlüge aus meinem Herzen eine Feuerlohe, wie ich noch nie eine gesehen hatte. Dort war keiner meiner Wünsche, keine meiner Taten mein Eigen. Irgendwie hatte ich zu existieren aufgehört. Meine Gedanken waren deine Gedanken, mein Schmerz war deiner, und kein Aspekt von Liand, Sohn von Fostil, gehörte noch mir.«
Ehe Linden weiter in ihn dringen konnte, fügte er hinzu: »Deine Frage kannst du dir sparen. Du möchtest hören, was genau ich in deinem Inneren gesehen habe. Unsere Gemeinsamkeit ging zu Ende, als wir den Sturz verlassen haben, und ich war wieder ich selbst. Aber solange wir vereint waren, habe ich an deiner Liebe zu deinem Sohn und zu Thomas Covenant teilgenommen. Ich war ausgefüllt von deiner Angst, deinen Schmerzen, deinen Extremen und deiner Verzweiflung. Ich habe deine Entschlossenheit geteilt, die stärker als Tapferkeit oder Macht ist.« Jetzt zögerte Liand nicht mehr, und sie wusste, dass er nichts vor ihr zurückhielt. »Und ich habe auch gesehen, dass du imstande wärst, entsetzliche Dinge zu tun. Du hast schwärzeste Grausamkeit und Verzweiflung erlitten und könntest dein ganzes Entsetzen an jedem auslassen, der sich dir entgegenstellt. Das wolltest du wissen«, schloss er, »hab ich recht?«
Mit der Stirn an dem unbeschriebenen Stein stöhnte Linden leise auf. War Covenant Jeremiahs Marionette? Waren sie beide Marionetten? Oder lag
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