Die Rückkehr des Zweiflers - Covenant 08
abtragen konnte. Jetzt schienen alle ihre Wünsche und Entscheidungen von Anfang an falsch gewesen zu sein. Töricht und verhängnisvoll. Und trotzdem ... Ihr Herz zerriss fast bei diesem Gedanken, aber er ließ sich nicht beiseitewischen: Und trotzdem blieb ihr Eindruck von Disharmonie vorherrschend. Covenant glich einem Mann, der den Text eines Liedes kannte, sich aber nicht an die Melodie erinnern konnte. Ihre Nerven waren außerstande, zwischen Lüge und Wahrheit zu unterscheiden. Trotzdem warnten ihre Instinkte sie, sie solle auf irgendeine Weise getäuscht werden.
Ihr Stab war der einzige Gegenstand, der weiter zweifellos ihr allein gehörte. Sie hielt ihn umklammert, während sie mit schwacher Stimme fragte: »Was sollten wir stattdessen tun?«
Covenant seufzte, als habe er ein wichtiges Zugeständnis erreicht; sein Zorn schien von ihm abzufallen. Ruhiger antwortete er: »Wie gesagt weiß ich andere Mittel, diese kritische Situation zu meistern.« In seinen Augen blitzte wieder flüchtig rote Glut auf. »Aber mir gefällt es nicht, so behandelt zu werden. Als wäre ich irgendein verdammter Wüterich, der sich verstellt. Natürlich bin ich anders, als du mich in Erinnerung hast. Aber ich habe Besseres verdient. Ich habe dir hier viel gegeben, auch wenn du es nicht erkennst. Dafür will ich eine Gegenleistung. Wenigstens ein bisschen Vertrauen. Wir treffen uns morgen früh auf der Hochebene. Vielleicht eine Stunde nach Tagesanbruch. Drüben am Südrand, in der Nähe der Schleierfälle. Dann brauche ich dir nicht zu erklären, was ich vorhabe. Ich kann es dir zeigen.«
Linden, die ihn studierte, um womöglich herauszubekommen, was die temporär in seinen Augen aufflackernde Glut verursachte, stellte vorsichtig fest: »Du glaubst nicht, dass ich billigen werde, was du vorhast.«
Er seufzte erneut. »Ich weiß es nicht. Vielleicht tust du es. Vielleicht auch nicht. Das hängt davon ab, wie dringend du deinen Sohn heil und gesund zurückhaben willst.«
Hier fand Linden einen kleinen Fleck Klarheit in der weiten Landschaft ihrer Verletzungen und Selbstzweifel. Sie erkannte emotionale Erpressung, wenn sie sie hörte. Möglicherweise war Covenant so gütig, wie Jeremiah glaubte, und so unersetzlich; aber anzudeuten, ihre Liebe zu ihrem Sohn lasse sich daran messen, ob sie sich Covenants Wünschen füge, war ein offenkundiger Manipulationsversuch. Sicher unabsichtlich bestätigte er dadurch ihre Überzeugung, mit ihm – oder in ihm – sei irgendetwas nicht in Ordnung.
Jeremiah hob den Kopf, um sie im Feuerschein zu beobachten, als hänge sein Leben von ihr ab. Er schien sie stumm zu bitten, sie sogar anzuflehen, Covenant Gelegenheit zu geben, sich zu beweisen. Die Pein in den verhangenen Augen ihres Sohnes zog ihr die Haut in Streifen von den Knochen, und es gelang ihr kaum mehr, ihre Tränen zurückzuhalten. Er hatte schon zu viel durchlitten ... Unabhängig davon, was sie über Covenant dachte, konnte sie Jeremiahs stummer Bitte nicht widerstehen.
Steif erhob sie sich und wandte sich an Covenant: »Also gut. Wir treffen uns dort.« Gestand sie ihm nicht wenigstens so viel zu, würde sie vielleicht nie die Wahrheit erfahren. »Du kannst mir zeigen, was du vorhast.« Dann straffte sie ihre Schultern: »Aber du sollst wissen ...« Tu etwas, das sie nicht erwarten. »... dass ich bis dahin den Stab gebrauchen werde. Das erzähle ich dir gleich jetzt, weil ich dich nicht damit überraschen will. Und ich halte so viel Abstand von dir, wie ich nur kann. Ich will dich nicht bedrohen. Aber es gibt einzelne Aspekte unserer Situation, die ich sehr wohl verstehe. Ich werde mich nicht vor ihnen drücken.«
Sie wartete Covenants Antwort nicht ab, ihre Selbstbeherrschung war erschöpft. »Jeremiah. Schatz«, sagte sie heiser und mit tränenschwerer Stimme, »wir sehen uns morgen früh. Und ich finde eine Möglichkeit, dir zu helfen. Auch wenn ich noch nicht sehen kann, welches die richtigen Entscheidungen sind.«
Jeremiah ... lächelte! Wie in die Flucht geschlagen, hastete sie zur Tür, damit er nicht mitbekam, wie sie die Fassung verlor.
4
Die Verteidigung Schwelgensteins
Auf dem Korridor vor Covenants Gemächern wartete Stave noch immer auf ihre Rückkehr. Er stand mit den drei Gedemütigten zusammen, als seien sie noch alle Meister, als deckten sich seine wahren Absichten noch immer mit den ihrigen. Sobald sie aus der Tür trat aber, eilte er ihr entgegen, als wolle er sie auffangen, ehe sie das Bewusstsein
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