Die Rückkehr nach Atlantis ("Alantis"-Trilogie) (German Edition)
»Es funktioniert nicht so, wie wir gedacht haben.«
Die Arme des Kraken verschränkten sich.
Nur eines von beiden ist möglich.
Die Freunde retten oder das Herz holen.
Ihr müsst euch entscheiden.
Talita merkte, wie betroffen Mario und Sheila von den Worten des Kraken waren.
»Ihr müsst auf mich keine Rücksicht nehmen«, sagte sie hastig. »Ihr habt schon viel zu viel für mich getan. Holt das Herz! Deswegen seid ihr schließlich gekommen. Ich werde mich allein auf die Suche nach meiner Mutter und meinem Bruder machen, und wenn ich dabei umkomme, ist es eben Schicksal. Ich wäre ohnehin schon längst tot, wenn Mario mich nicht aus dem Kerker befreit hätte …«
Sheila sah Mario an. Dachte er dasselbe wie sie?
»Kommt gar nicht infrage«, sagten sie gleichzeitig.
»Wir lassen dich nicht im Stich«, fügte Mario hinzu.
»Und Saskandra auch nicht«, ergänzte Sheila und rieb ihre Flosse an der Flanke des weißen Delfins.
»Und euer Auftrag?«, fragte Talita leise. »Wollt ihr wirklich zulassen, dass Talana für immer zerstört wird?«
Das war eine so schwierige Frage, dass Sheila Angst vor der Antwort hatte. Erst vorhin hatte sie mit allen Sinnen gespürt, dass Freundschaft das Allerwichtigste war – und deswegen war es klar, dass sie Talita helfen musste, Anjala und Brom in Sicherheit zu bringen.
Und das Herz …
»Das Herz kann bestimmt nicht sterben«, flüsterte Sheila. »Es lebt irgendwo weiter … später … und Mario und ich werden es finden …«
Saskandra lachte leise, als hätte sie gewusst, wie die Entscheidung ausfallen würde. Plötzlich kamen Sheila wieder Saskandras rätselhafte Worte in den Sinn.
Seelenmeilen werden vergehen. Doch was verloren ist, werdet ihr finden. Unmögliches wird möglich …
»Du hast recht«, sagte Mario. »Das Herz wird nicht sterben. Es wird auch noch in der Zeit leben, aus der wir kommen. Wir werden zurückkehren und nach ihm suchen. – Und jetzt lasst uns in die Stadt schwimmen, um Anjala und Brom zu suchen.«
Alles war genauso und doch anders. Sie schwammen um die Stadt herum und fanden den Zugang, den Talita ihnen beim ersten Mal gezeigt hatte. Zwei erstarrte Mondwächter bewachten reglos und mit dümmlichem Gesichtsausdruck den Zugang.
Der Tunnel hielt noch, aber einige Steine hatten sich bereits gelockert und sahen so aus, als würden sie im nächsten Moment herunterfallen. Das Wasser stand höher als bei der üblichen Flut – fast die ganze Treppe war bedeckt.
Sie ließen Spy und Saskandra zurück, verwandelten sich wieder in Menschen und wollten schon losgehen, als Sheila noch etwas einfiel. Sie erinnerte sich an das, was in Talana passiert war.
»Halt!«, sagte sie. »Wir müssen unbedingt den Kraken mitnehmen. Denn wenn wir Anjala und Brom finden, sind sie genauso starr wie alles andere. Aber sobald sie die Kraft des Kraken spüren, können sie sich wieder bewegen.«
Sie watete ins Wasser zurück, brachte den Kraken dazu, wieder in die Spieluhr zu schlüpfen, und nahm die wertvolle goldene Dose an sich. Dann machten sie sich auf den Weg zu Anjalas Wohnung.
Unterwegs sahen sie Ratten, die miteinander kämpften und inder Bewegung erstarrt waren. Ein Stein schwebte mitten in der Luft, allen Gesetzen der Schwerkraft trotzend. Ein Teil des Gewölbes war bereits eingestürzt und sie mussten über Geröll klettern.
Talita wirkte bedrückt. Sie sah Sheila von der Seite an. »Und wenn meine Mutter und mein Bruder verletzt oder sogar tot sind?«
Sheilas Magen krampfte sich zusammen. Talita hatte recht, sie konnten nicht sicher sein, dass sie Anjala und Brom heil und unverletzt vorfinden würden. Große Teile von Atlantis waren bereits durch das Beben beschädigt, auch hier in der Unterstadt.
Als sie um eine Ecke bogen, sahen sie, dass etliche Bewohner in Panik ihre Wohnungen verlassen hatten. Eine alte Frau kam ihnen entgegen, sie war in der Bewegung erstarrt und ihr Mund hatte sich zu einem Schrei geöffnet. Andere streckten gerade ihre Köpfe aus der Tür; eine Mutter zerrte an ihren Kindern, die sich fürchteten und die Wohnung nicht verlassen wollten. Sheila hätte am liebsten jeden mit der Spieluhr berührt, um sie zu erwecken und ihnen die Chance zu geben, sich während des Zeitstillstands in Sicherheit zu bringen. Doch das ging nicht. Sie konnten nicht die halbe Stadt retten. Damit hätten sie gravierend in den Lauf der Geschichte eingegriffen. Viele Bewohner von Atlantis würden das Unglück überleben und entkommen, andere
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