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Die Ruhe Des Staerkeren

Die Ruhe Des Staerkeren

Titel: Die Ruhe Des Staerkeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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mir jedesmal gesagt, wenn ich die idiotischen Plakate vor der Tür fand. Wenigstens hast du gut bezahlt. Die letzten aber sahen dann anders aus, als du wolltest. Nicht wahr? Verschwinde, Krüppel, sonst werde ich dir Beine machen.« Dean war schon in der Hocke, als der Stein ihn erneut niederstreckte.
    Sedems Stockbewegungen waren schnell und treffsicher. Er schien im Umgang mit der ungewöhnlichen Waffe äußerst geübt. Als er letzten Sonntagmorgen seinen täglichen Ausritt machte, war ihm die Idee dazu gekommen. Vor Deans Gehöft stand ein Mercedes-Kombi mit deutschem Kennzeichen, zwei Männer vergnügten sich, einen Pitbull auf diese Weise zu trainieren. Nur hing ein Katzenfell am Stock, dem der Hund hinterherjagte. Es hatte gedauert, bis Sedem das richtige Gewicht austariert hatte. Der verwitterte, graue Kalkstein mit den scharfen Kanten, den er am Ende wählte,wog gerade ein Kilo und war ideal. Schnell und präzise traf er ins Ziel und riß grobe Wunden. Sedem hatte ihn am Stamm einer mächtigen Pinie erprobt, deren Rinde beim Einschlag absplitterte und in weitem Bogen davonflog.
    »Wer ist dein Auftraggeber?« Diesmal kreiste der Stein wie ein Rotor und war kaum mehr zu sehen.
    »Ich habe alles so übergeben, wie ich es erhielt. Ich habe überhaupt nichts getan. Denkst du etwa, ich eröffne auch noch ein Grafikstudio? Glaub bloß nicht, daß du so davonkommst.« Langsam zog er die Beine an und machte sich dazu bereit, aufzuspringen. »Das wird Wellen schlagen, wenn rauskommt, daß ein mieser kleiner amerikanischer Millionärskrüppel zum Mord an anderen verfickten Millionären aufruft.«
    Diesmal traf ihn der Stein auf seiner Kniescheibe. Dean schrie auf vor Schmerz, faßte mit beiden Händen nach seinem Bein und starrte Sedem mit weit aufgerissenen Augen an. Der nächste Aufprall schickte ihn wieder zu Boden.
    »Das Ding ist gut. Nicht wahr, Dean? Auf so etwas seid ihr beim Geheimdienst nie gekommen. Es verlangt auch nicht viel Kraft, nur Geschick. Selbst ein Krüppel kann es bedienen. Einmal davon getroffen zu werden, ist nicht so schlimm, aber wenn dir der Stein zehnmal gegen den Schädel prallt, dann spritzt irgendwann die Gehirnmasse über den Hof. Gut, bei dir ist es nicht besonders viel, da hält sich die Sauerei in Grenzen. Also, wer hat dir den Auftrag gegeben?«
    Wieder kreiste der Stein wie ein Propeller durch die Luft. Das Surren, das er dabei erzeugte, erreichte immer höhere Tonlagen. Dean hielt noch zweimal stand, dann packte er gedemütigt aus. Sedem nahm es zufrieden zur Kenntnis und wendete sein Pferd. Dean kroch röchelnd über den Hof zu seiner Waffe, doch als er sie endlich zu fassen bekam, hatte sich die Lipizzaner-Stute im versammelten Galopp schon viel zu weit entfernt. Trotzdem jagte Dean fünf Kugeln hinterher.Als ihr Echo verhallt war, durchdrang nur noch der gleichmäßige Hufschlag die Stille der Nacht. Unter dem milchigen Licht des fast vollen Monds wurde die Gestalt der Schimmelstute immer kleiner.
     
    *
     
    Proteo Laurenti hatte Hunger. Obgleich es der letzte Sonntag vor dem Fest war, hielten die meisten Gastwirte im Zentrum stur an ihrem Ruhetag fest. Er wählte Rožmans Nummer und hinterließ auf dem Anrufbeantworter, daß er erst gegen fünfzehn Uhr einträfe. Dann fuhr er ins Scabar und hoffte, daß sein Sohn etwas Ordentliches für ihn kochte. Das Restaurant war bis auf den letzten Tisch ausgebucht, und Laurenti befürchtete, daß ihm nichts anderes übrigblieb, als irgendwo unterwegs eine Pizza zu vertilgen – so, wie gestern abend zu Hause. Als er Marco begrüßte, der, wie seine Kollegen, schwitzend in der Küche wirbelte, erfuhr er, daß Galvano im zweiten Saal alleine am Tisch saß. Das war die Rettung.
    »Aber setz dich doch, mein Freund.« Der alte Gerichtsmediziner machte eine einladende Geste. Unter seinem Tisch lag der schwarze Hund und schnarchte vernehmlich. Galvano schien sich eigenartigerweise zu freuen, als plötzlich Laurenti vor ihm stand. Oder er malte sich aus, daß der Commissario wie üblich die Rechnung beglich. Die Flasche Malvasia von Zidarich hatte er bereits zur Hälfte geleert.
    Marcos Chefin nahm die Bestellung auf, und Galvano bat, gegen Laurentis Protest, um eine weitere Flasche Wein.
    »Ich muß mit dir anstoßen«, sagte Galvano ungewohnt sanft. »Manchmal hilfst auch du mir. Selten genug zwar, aber diesmal hast du mich wirklich auf eine Idee gebracht, was meine Memoiren betrifft.«
    »Du hast sie doch nicht etwa dem Feuer übergeben?«

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