Die Ruhe Des Staerkeren
Gleichzeitig pickte der zuständige Gerichtsmediziner die wild verstreuten Leichenteile heraus und versuchte sie sortenrein in Edelstahlwannen zu ordnen. Galvano hatte einmal gelästert, daß es komisch sei, warum eigentlich nie jemand fragte, was diese Fuzzelei überhaupt brachte? Die Menschen waren schließlich tot, der Grund ihres Ablebens sternenklar, doch die Angehörigen bestünden regelmäßig darauf, daß es ausschließlich die Leichen ihrer liebsten Verblichenen sein sollten, die in die Grube versenkt wurden. War es Neid? Wollte man der Hand eines Fremden etwa keine teuren Blumen aufs Grab stellen? Hatte man Angst, daß die Inschrift auf dem Grabstein nicht ganz zutraf? Oder verschmähten etwa die Würmer einen Leichencocktail? Verwandte, was für ein Aufwand!
Laurenti zeigte seinem Kollegen den Filmausschnitt aus der Überwachungskamera, enthielt ihm aber Rožman zuliebe noch jenen vor, auf dem er Dean kontrollierte. Pausin bat um eine Kopie, die Marietta ihm schon für den nächsten Tag versprach. Laurenti händigte ihm dafür einige der Vergrößerungen aus. Daraufhin gab Pausin telefonisch die Personenbeschreibung an seine Leute durch. Ein erster Anhaltspunkt wenigstens. Die Computer bei den slowenischen Behörden liefen ohnehin schon heiß, das Innenministerium machte Druck, und selbst der Premierminister, der bei der Zeremonie in Rabuiese eine flammende Rede gehalten hatte, erkundigte sich persönlich nach dem Stand der Dinge. Goran Newman sei schließlich ein wichtiger Mann in der Wirtschaft gewesen, das Ansehen des Landes stehe auf dem Spiel. Doch noch kämpfte er vergebens um einen Durchsuchungsbefehl für das Anwesen in Jakovce. Da zierten sich die Verantwortlichen noch. Wie sollte er also Einblick in die Geschäfte Dukes bekommen, aus denen sich vielleicht endlich ein konkretes Motiv ableiten ließ? Und auch dessen Sohn antwortete nur trotzig, als er ihn in Begleitung von Rožman befragt hatte. Pausin zuckte die Achseln und seufzte. Wie konnte er weiterkommen, wenn alle um ihn herum so gesprächig waren? Die Vegrößerungen in der Hand, telefonierte er schließlich von Laurentis Apparat aus mit seiner Dienststelle. Er verlangte von seiner Mitarbeiterin am anderen Ende der Leitung, die Liste der geladenen Gäste auf Männer mit größerem Leibesumfang durchzugehen. Sie war wenig begeistert über den Auftrag und maulte, daß es selbst mit Hilfe des Einwohnermeldeamtes, den Informationen aus dem Internet und dem Fotoarchiv der Tageszeitungen eine lausige Kärrnerarbeit sei. Darüber hinaus sei auch noch damit zu rechnen, daß dreiviertel der anwesenden Herren ohnehin Probleme mit dem Idealgewicht hatten.
Pausins Gemahlin war in Triest auf der Jagd nach Weihnachtsgeschenken,weshalb auch er bald aufbrach, um ihr beim Schleppen zu helfen.
»Hundertneunzigtausend Euro sind Ihnen also egal, Calamizzi?« Laurenti beugte sich halb über den Tisch.
»Kann man den Wert eines Lebens in Geld bemessen?« Der Kalabrese verschränkte die Arme und lehnte sich im Stuhl zurück, als wäre er darauf bedacht, stets den gleichen Abstand zu dem Polizisten einzuhalten. »Außerdem wird mein Anwalt auf Herausgabe der Kohle pochen. Sie befindet sich in den Händen der Slowenen, nicht bei uns.«
»Sie haben den Betrag aus Italien ausgeführt. Wir haben bereits das Nötige veranlaßt. Sparen Sie sich die Anwaltskosten.« Laurenti hatte verstanden. Der Mann wog das Geld fälschlicherweise in Sicherheit und spielte darauf an, daß die italienischen Gesetze zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität die Beschlagnahme allen Eigentums von Mitgliedern der Ehrenwerten Gesellschaft vorsahen. Die einzige Waffe, die den Clans wirklich zu schaffen machte. Leider gab es genügend europäische Länder, die sich in aller Überheblichkeit für sauberer einschätzten und die Notwendigkeit eines solchen Durchgreifens ignorierten. Damit flossen unendliche Mittel in Investitionen nach Norden, bevorzugt nach Deutschland. »Sie sind in Reinbek bei Hamburg gemeldet. Welchem Beruf gehen Sie nach?«
»Ich bin arbeitslos.« Calamizzi bemühte sich, seine gespielte Gleichgültigkeit zu wahren.
»Deshalb führen Sie soviel Geld mit sich?«
»Versuchen Sie einmal, ein Konto zu bekommen, wenn Sie kein Einkommen haben.«
»Wie hieß der Mann, der in Ihrem Auto erschossen wurde?«
»Keine Ahnung. Er wollte mir helfen.«
»Und dann haben Sie ihm geholfen?« Laurenti winkelte den Daumen an und zielte mit zwei Fingern auf Calamizzi.
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