Die Ruhe Des Staerkeren
gleißt unter der Sonne, und weiße Gischtkämme jagen über die Wellen.«
»Das hatten wir doch schon, Proteo. Das kann man nicht wiederholen. Und schon gar nicht wieder aufwärmen.« Živa räusperte sich, dann veränderte sich ihr Tonfall. »Aber vielleicht habe ich eine gute Nachricht für dich. Und falls du versprichst, mit deinen Anspielungen aufzuhören, erzähle ich sie dir.«
»Wenn du so sprichst, dann geht’s um die Arbeit.« Laurenti kannte alle ihre Stimmlagen, die höchsten waren ihm stets die liebsten gewesen.
»Wir haben einen Mann festgenommen, der dir helfen kann. Reiner Zufall, aber er hat bereits gestanden. Eine Routinekontrolle der Verkehrspolizei auf der Schnellstraße von Pula nach Norden. Im Kofferraum seines Wagens lagen Plakate dieser Tot-oder-lebendig-Gruppe.«
»Istria libera?« fragte Laurenti aufgeregt.
»Er sagt, er habe sie von einem Mann namens Mario aus Izola erhalten und fürs Aufhängen in der Nacht fünfhundert Euro kassiert. Wir haben sein Telefon gefilzt und auch die Nummer seines Auftraggebers. Kannst du damit etwas anfangen?«
»Und ob«, sagte Laurenti zufrieden. Er notierte sich die Daten des Mannes und die Telefonnummer. Dann rief er Marietta an und bat sie, die Liste der Anrufe aus Manfredis Apparat damit zu vergleichen. Auch dort hatten sie Telefonate in die kleine Hafenstadt auf der anderen Seite der Grenze entdeckt.
*
Pina saß ratlos vor ihm und suchte krampfhaft nach Worten. Jeden ihrer Sätze fand sie idiotisch. Es war nichts zu sagen. Was ging in Sedems Kopf vor? Er antwortete ihr nur einsilbig oder verharrte in seinem dumpfen Schweigen. Die Telefone bimmelten unentwegt, er starrte immer nur auf die Displays, aber er hob nicht ab. Sie hatte gesehen, wie Laurentis Alfa Romeo vom Hof fuhr und zwei hochgewachsene und durchtrainierte Männer mit Bürstenschnitt aus einem dottergelben Porsche stiegen und ihm nachschauten. Kurz darauf kam Sedems Fahrer herein, der ihm den Besuch meldete. Sedem sagte nur, sie sollten eine Viertelstunde warten, worauf sich sein Diener fast lautlos verzog.
»Warum bist du hiergeblieben?« fragte Sedem mit leiser Stimme. Er griff nach der Fernbedienung, doch reduzierte er die Lautstärke nicht. Er wechselte lediglich die Musik. Statt Swing erklangen nun die Gorillaz mit ihrem Song »Every Planet We Reach Is Dead«.
»Wie bitte?« sagte Pina, die ihn nicht verstanden hatte.
»Warum du nicht mit Laurenti gegangen bist, habe ich gefragt.«
Zum ersten Mal schaute Sedem sie an. Erst jetzt bemerkte sie, daß seine Augen leer waren wie die seines Vaters. Dukes wäßriger Blick – ein blaugrau gefärbtes Meer unter einer regenschweren Wolkendecke, die bald zur Sturmfront wurde.
»Sei mir bitte nicht böse, Sedem. Es ist normal, daß ich ineinem solchen Moment an deiner Seite sein möchte. Natürlich kann sich niemand vorstellen, was du fühlst, aber Nähe geben kann man. Friß nicht alles in dich hinein. Immerhin war es dein Vater, der ermordet wurde. Und vielleicht kann ich dir auch helfen, die Täter zu finden.«
»Einmal Polizist, immer Polizist! Gib dir keine Mühe, ich komme alleine zurecht. Ich war immer alleine, und ich werde immer alleine sein.« Er lachte kurz auf. »Das ist des Menschen Schicksal.«
»Du bist zynisch.«
Pina beugte sich vor und faßte seine Hände. Sedem lehnte sich mit ausgestreckten Armen zurück. Die Distanz zwischen ihren Köpfen blieb konstant. Seine Hände waren kalt.
»Er war ein Schwein. Es ist nicht besonders schade um ihn. Viel bedauerlicher ist eigentlich, daß Edvard für ihn sterben mußte. Er war jemand, auf den man sich in jeder Situation verlassen konnte. Einer, der deine Sache zu seiner eigenen machte, intelligent, wachsam, aufmerksam, unaufdringlich, aber immer präsent. Immer. Seit er an Dukes Seite war, hatte mein Vater die Hände frei und konnte sich nur auf seine Geschäfte konzentrieren.«
»Und Vera?«
»Eiskalt. Kälter als Duke. Analytisch, entschieden und gefährlich. Dynamit und Zünder in einem. Sie kannte nur eines: Geld. In dieser Hinsicht waren sie ein ideales Paar.«
»Und du?«
»Ich war ihr gleichgültig. Manchmal hielt sie mich für gefährlich, weil ich ihre Geschäfte durchschaute. Doch wir wechselten niemals ein Wort darüber. Wenigstens hat sie mir erspart, eine falsche Mutter für mich zu sein. Lächerlich. Sie war gerade zehn Jahre älter als ich. Aber sie hatte etwas in ihrem Blick, das mir nicht gefiel. Niemals ließ sie mich aus den Augen, wenn ich
Weitere Kostenlose Bücher