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Die Ruhe Des Staerkeren

Die Ruhe Des Staerkeren

Titel: Die Ruhe Des Staerkeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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der Via della Cattedrale heraufgeholpert kam. Zu Fuß hätte sie unter normalen Umständen den Weg bis zur Piazza Hortis schneller geschafft und vor allem nicht die dumme Geschichte vomvergangenen Sonntag zum x-ten Mal erzählen müssen. Bald gäbe es niemand mehr in der Stadt, der nicht Bescheid wüßte. Fehlte nur noch, daß der Piccolo es auf die Titelseite setzte: Kleinwüchsige Polizistin mit einem Bissen von Kampfhund gefressen.
    Die Bronzestatue von Italo Svevo, die auf dem begrünten Platz vor dem Gebäude stand, das die Stadtbibliothek und ein paar Museen beherbergte, hielt eine qualmende Kippe zwischen den Fingern. Irgendein Witzbold mußte es in Anspielung an des Autors berühmtestes Werk für originell gehalten haben, der Skulptur die »letzte Zigarette« zu verpassen. Ein paar Passanten knipsten das Bild mit dem Mobiltelefon und grinsten doof. Pina, die als Abiturthema den Zeno Cosini büffeln mußte und schon deswegen mit dem großartigen Roman nichts anzufangen wußte, humpelte in das neoklassizistische Gebäude und suchte vergebens nach einem Aufzug. Nur eine mächtige Treppe führte von dem steingrauen, spärlich ausgeleuchteten Entree hinauf zur Stadtbibliothek und – zwei Stockwerke darüber – zum Naturkunde-Museum, von dem sie in der Zeitung gelesen hatte, daß es bald in eine Randlage verlagert werden sollte. Ob es dann allerdings jemals wieder geöffnet würde, stand in den Sternen, denn die Mittel für den Umzug waren bereit, die zur Einrichtung dagegen hatte die Stadtregierung nicht bewilligt. Typisch, wieder einmal wurde durch heimliche Etatstreichung Kulturpolitik gemacht. Sollten die ausgestopften Tiere doch allein mit sich sein.
    Stufe für Stufe zog sich Pina an dem steinernen Geländer hinauf und versuchte, ihren linken Fuß möglichst wenig zu belasten. Trotzdem zuckte sie immer wieder vor Schmerz zusammen. Schließlich stand sie vor der verschlossenen Tür des Museums und entnahm dem Schild, daß es bereits um 13 Uhr fürs Publikum schloß. Sie blickte ratlos in die Flure, humpelte von Tür zu Tür, von einem leeren Büroraum zum anderen,bis sie endlich eine schlechtgelaunte Frau an ihrem Schreibtisch aufschreckte, deren Gesicht so grau war wie ihr Haar und die Wände des Treppenhauses und deren Alter sie nicht annähernd zu schätzen vermochte. Sie las die Tageszeitung und kaute an einem Tramezzino.
    Pina versuchte es plump. »Arbeitet Manfredi nachmittags nicht?«
    »Nein, morgens arbeitet er nichts. Nachmittags ist er nicht da.« Die Frau würdigte sie keines Blickes.
    »Wo ist sein Büro?«
    »Vier Türen weiter«, die Frau machte eine schwache Handbewegung in die Richtung, von der sie sprach. »Aber dort ist niemand. Wie so oft. Eigentlich sollte man ihn entlassen.«
    »Ist jemand anderes da?«
    »Mittagszeit. Die Kollegen sind alle beim Essen.« Noch immer bequemte sich die Frau nicht, von ihrer Lektüre aufzuschauen, gemächlich schob sie den Rest ihrer Mahlzeit in den Mund.
    »Bis wann?«
    »Ob sie noch einmal zurückkommen, kann ich Ihnen beim besten Willen nicht sagen.« Offensichtlich handelte es sich hier um eine hochmotivierte Gruppe, die eng zusammenhielt.
    Pina zog endlich ihren Dienstausweis aus der Tasche und hielt ihn der Frau unter die Nase. »Manfredi kommt nie wieder«, rief sie der Faulquappe zu. »Er hat die Nase voll von der Zuvorkommenheit seiner Kolleginnen. Haben Sie einen Schlüssel, oder muß ich die Tür eintreten?« Als die Frau endlich ihren Blick hob, steckte sie den Ausweis wieder ein und fuchtelte mit ihrem Stock.
    »Was heißt, er kommt nie wieder? Was wollen Sie von ihm?«
    »Er hat gekündigt.«
    »Was?«
    »Dem Leben.«
    »Wie bitte?«
    »Haben Sie nun einen Schlüssel oder nicht?«
    Die Frau kramte in ihrer Schublade und klapperte endlich mit einem Schlüsselbund. Mißmutig erhob sie sich und ging voran. »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Er liegt zum Ausstopfen auf dem Seziertisch in der Gerichtsmedizin und beklagt sich über kalte Hände und Füße«, sagte Pina, als sich endlich die Tür mit einem langgezogenen Quietschen öffnete, als hätte sich auch der Preis für Schmierfett verdreifacht.
    »Tot?« Plötzlich bekam das Gesicht der Frau einen Hauch von Farbe. »Was ist passiert?«
    »Wann haben Sie ihn das letzte Mal gesehen?«
    »Am Freitag.«
    »Um welche Uhrzeit?«
    »Er ging wie jeden Tag pünktlich um viertel nach vier. Ist ihm etwas zugestoßen?«
    »Er wurde umgebracht«, sagte Pina und begutachtete den Raum, »mit einem soliden

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