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Die Ruhe Des Staerkeren

Die Ruhe Des Staerkeren

Titel: Die Ruhe Des Staerkeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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das tägliche Sporttraining war wegen der Verletzung nicht zu denken, und in ihrer neuen Wohnung in der Via Lazzaretto Vecchio, die sie gleich nach dem letzten Fall bezogen hatte, war das Fernsehprogramm genauso monoton wie in der alten. Zwei Tage lang hatte sie bereits die Fernbedienung massakriert, auf die Sender geschimpft, die entweder alle zusammen nur Mist ausstrahlten oder, als wäre es abgesprochen, parallel auf allen Kanälen plötzlich annehmbare Filme zeigten. Und dann die pausenlose Werbung! Das neueste war, daß man plötzlich alles mit zinslosen Ratenzahlungen abstottern konnte, ganz zu schweigen von den Spots der Geldverleiher, die angeblich jedermann problemlos mit Kleinkrediten zu einem besseren Leben verhalfen, ohne dafür Sicherheiten zu verlangen. Von den Wucherzinsen, die im Kleingedruckten standen, war natürlich keine Rede. Einem Teil der Bevölkerung mußte dasWasser bis zum Hals stehen. Aber wenn sie erst an den Inhalt ihres Kühlschrank dachte! Der strotzte vor trostloser Ödnis wie das Fernsehprogramm von RAI Uno. Tiefkühlpizza und ein Fertiggericht, dessen Haltbarkeitsdatum bereits überschritten war. Ein Stück Parmesan, das man nur noch mit dem Vorschlaghammer kleinbekam, zwei muffige Zitronen, Knoblauch und eine Packung der Joghurt-Drinks, die angeblich den Cholesterinspiegel senkten. Sonst nichts. Pina nahm die Einladung an. Um halb sieben würde sie an der Riva Nazario Sauro auf den Fahrer warten. Doch was könnte sie als Gastgeschenk mitbringen?
     
    Vorher hatte sie noch einiges zu tun. Laurenti war ausnahmsweise einmal in ihr Büro gekommen und hatte sie nicht wie sonst zu sich gerufen. Als er aber seine Anerkennung für ihren Diensteifer aussprach und sich von ihrem Mißgeschick berichten ließ, entging ihr nicht, daß seine Mundwinkel zuckten und er sich ganz offensichtlich amüsierte. Er hatte nie einen Hehl daraus gemacht, daß er jeden Sport außer Rudern für Blödsinn hielt. Dabei wußte jeder, daß er seit zwei Jahren nicht mehr in die Riemen gegriffen hatte und wohl bald seinen Austritt aus dem Ruderverein erklären würde, um den Mitgliedsbeitrag zu sparen. Daß er bei besonderen Einsätzen nicht aus der Puste kam, war vermutlich mehr seiner Willenskraft zu verdanken als seiner Konstitution, die er nur im Sommer verbesserte, indem er täglich im Meer schwamm. Im Winter spannte hingegen das Hemd über dem Bauch, der die Gürtelschnalle halb verdeckte. Laurenti, dem die Müdigkeit ins Gesicht geschrieben war, hatte ihr den dünnen Aktendeckel gegeben und sie mit knappen Worten darum gebeten, Licht in das Leben dieses Eichhörnchenausstopfers zu bringen. Zumindest soweit sie es vom Schreibtisch aus erledigen könne. Nach ein paar Telefonaten war Pina klar, daß das nicht viel sein würde. Sie informierteden Schichtleiter der Kollegen des Streifendienstes, daß sie öfter einen Wagen in Anspruch nehmen wollte, der sich gerade in der Nähe befände.
    Ihr erster Besuch galt der Mutter von Marzio Manfredi, aus der sie aber außer Schluchzen kaum etwas herauszuholen vermochte. Wie konnte man einem solchen Halunken nur so heftig nachtrauern? Ihr Sohn ließ sich nur alle paar Wochen blicken, um seine wenige Post abzuholen, berichtete die Frau mit gebrochener Stimme. Im Winter nahm er auch ein heißes Bad und war stets dankbar für ein warmes Essen. Sie hatte ihn vor Jahren einmal in seiner Bleibe auf dem Karst besucht. Das war im Mai nach seiner Scheidung gewesen, als sie sich sorgte, daß er sich vor Kummer etwas antun könnte. In seinem Wohnwagen hatte sie ihn nicht angetroffen, aber ein Bauer riet ihr, die Osmizza von Walter Pertot in Aurisina aufzusuchen. Und tatsächlich saß dort ihr Sohn in dem gemütlichen Innenhof vor einem halben Liter Wein und einem Teller mit rohem Schinken, neben sich einen staubigen Schäferhund, dem er immer wieder ein Stück zuwarf. Ein ekliges Vieh, dem der Speichel aus den Lefzen tropfte. Das war so ungefähr alles, was die Frau zu berichten hatte. Und der Kaviar? Sie konnte sich nicht vorstellen, daß ihr Sohn Geschmack daran fand. Ganz abgesehen davon, daß sein Gehalt von netto zwölfhundert Euro dafür gewiß nicht ausreichte. Und mit wem er Umgang hatte, konnte seine unglückliche Mutter erst recht nicht sagen.
    »Mein Sohn, ein Schmuggler«, murmelte die Frau, als die kleine Polizistin hinaushumpelte. »Marzio ist ein guter Junge.«
    Pina stieg in den Streifenwagen, der ein paar Minuten nach ihrem Anruf über das uralte, löchrige Pflaster

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