Die Ruhe Des Staerkeren
zu Hause zu leben. Mein Vater hat die Macke, alles kontrollieren zu wollen. Mit dem Effekt, daß ich heute mehr über ihn weiß als er über mich. Ursprünglich hatte ich vor, meinen eigenen Nachrichtendienst aufzubauen, weil ich der Meinung war, daß die Medien zu einseitig und zu oberflächlich sind. Was interessiert es mich, wenn Paris Hilton ihren Hund beißt und dabei kein Höschen trägt? In den Hauptnachrichtensendungen des Tages! Dafür werden dann andere Themen nicht vertieft. Und in Osteuropa haben sich, wo die Russen Platz ließen, die westlichen Medienkonzerne eingekauft, manche Organe sind in der Hand der Kurie, andere in der Hand der Politik, wieder andere in der von Bossen. Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.«
»Apropos«, unterbrach Pina, griff nach seiner Hand und rückte ein Stück näher. »Weißt du eigentlich Bescheid darüber, daß dein Vater bedroht wird?«
»Duke?« Sedem schüttelte ungläubig den Kopf.
»Im kroatischen Teil Istriens sind heute Plakate aufgetaucht, von einer Gruppierung, deren Anhänger sich militante Idealisten nennen und mit dem Slogan ›Istria libera – Dalmazia nostra‹ operieren. Das geht schon seit längerem so, nur diesmal ist das Konterfei von Duke darauf. Und darunter steht: ›Besser tot als lebendig‹.«
Sedem verschlug es die Sprache. »Istria libera?«
Sie wurden vom Kellner unterbrochen, der den Hauptgang servierte, Filets von der Ombrina mit weißem Trüffel aus Istrien.
»Mein Chef hat versucht, ihm die Teilnahme an der Zeremonie morgen in Rabuiese auszureden. Nichts zu machen. Duke besteht darauf, sich dort zu zeigen, obwohl wir konkrete Hinweise auf einen Attentatsplan haben.«
»Wer kommt denn auf solch eine Idee? Dort ist doch mit einem riesigen Polizeiaufgebot zu rechnen.«
»Genau das hat dein Vater auch gesagt.«
»An Duke kommt keiner ran, solange Edvard um ihn ist, und wenn Vera es nicht will, dann hab selbst ich keine Chance. Seit wann weißt du davon?«
»Die Hinweise auf den Attentatsplan fand Laurenti am Mittwoch.«
»Dein erster Abend bei mir. Warum hast du es mir nicht gesagt?«
»Ich wußte es selbst noch nicht. Und außerdem kannten wir uns ja kaum.« Pina fiel es schwer, ihren Blick von dem jungen Mann zu lösen.
»Was machst du morgen?« fragte sie, als sie beim Dessert waren.
»Samstag? Die Börsen sind zu und ich hab frei. In der Früh werde ich eine Stunde reiten. Ich kann meine kleine Stute nicht enttäuschen!«
»Ich hab auch frei«, sagte Pina.
»Bist du nicht bei der Zeremonie?«
Pina zeigte auf ihren Stock. »Ich bin doch krankgeschrieben.«
»Dann laß uns einen Ausflug machen«, sagte Sedem versonnen. »Laß uns nach Istrien fahren, ich will diese Plakate sehen. Wir könnten morgens noch auf dem Markt in Rijeka einkaufen, da bringen die Bauern aus dem Umland ihr Gemüse hin, und wenn wir Glück haben, finden wir auch Scampi von der Insel Cres. Die sind die besten. Und zum Mittagessen halten wir bei ›Morgan‹ in Brtonigla, einer Bauernwirtschaft mit den besten hausgemachten Würsten von ganz Istrien.«
Pina war begeistert. Die schöne Hügellandschaft Istriens kannte sie noch kaum, obwohl es von Triest nur ein Katzensprung war.
»Wenn ich weiterhin so viel esse wie in diesen Tagen, werde ich noch richtig fett«, sagte sie. »Sobald mein Fuß wieder funktioniert, werde ich das doppelte Trainingspensum absolvieren müssen, um wieder in Form zu kommen.«
»Nur, wenn ich dir Zeit dazu lasse. Wo wohnst du eigentlich?« fragte Sedem.
»Dritter Stock ohne Fahrstuhl«, sagte Pina.
»Dann komm doch einfach mit zu mir.«
»Aber gib mir bloß nichts mehr von dem Zeug zu rauchen.«
Nach dem Abgrund
Ich höre Geschrei und versuche mich aufzurichten. Ein kalter Windstoß bläst herein, als die Autotür aufgerissen wird und Domenico mit erhobenen Händen aussteigt. Zwei Pistolen sind auf ihn gerichtet, er legt die Hände auf das Autodach und senkt den Kopf zwischen die Schultern. Er protestiert lauthals. Ein kräftiger Mann tastet ihn blitzschnell ab und leert seine Taschen, zieht ein dickes Geldbündel heraus, eine Waffe und seinen Paß. Er blättert ihn durch, während der andere seine Arme auf den Rücken biegt und seine Hände mit Handschellen fesselt. Sie stoßen Domenico vor sich her und drücken ihn auf den Rücksitz des Autos vor uns, auf dessen Dach blaues Licht flackert.
Dann beugt sich ein Mann mit einer Alkoholfahne über mich, hält meinen Kopf, betrachtet besorgt meine Wunden und redet mit
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