Die Ruhe Des Staerkeren
einem anderen, der mich danach mit dem Frottétuch zudeckt. Er drückt die Tür ins Schloß, sie sprechen draußen weiter. Ich sinke zurück auf den Autositz und erwache erst wieder, als ein Mann in einem weißen Kittel an meiner Halsschlagader nach dem Puls tastet und schließlich mein Augenlid hebt und mit einer Lampe meine Pupille blendet. Er begutachtet meine Verletzungen. Zuerst meine zerbissenen Lefzen, dann den zersplitterten Knochen meines rechten Vorderbeins, schließlich die verkrustete Wunde auf meiner Stirn und dann die Flanke, von der ein Hautlappen wie ein Triangel herunterhängt. Er schüttelt den Kopf. So etwas Schreckliches hat er noch nie gesehen. Ich empfinde keinen Schmerz, nur die bleierne Müdigkeit, gegen die ich ankämpfe, solange ich nicht weiß, was mit mir geschieht. Der Mann zieht eine Spritze auf und drückt sie in meine Schulter, dann falle ich in einen tiefen Schlaf.
In einem hell beleuchteten Raum komme ich wieder zu mir. Es riecht nach Desinfektionsmitteln, Medikamenten und Putzzeug. Mein Vorderbein ist eingezwängt in einen Gipsverband, in meinem Oberschenkel verschwindet eine Kanüle, in der ein durchsichtiger Plastikschlauch steckt. Mein Fell ist wegrasiert an dieser Stelle. Das andere Ende des Schlauchs führt zu einem Gestell, an dem ein Beutel mit einer Flüssigkeit baumelt. Ich habe unglaublichen Durst. Ich versuche mich zu erheben, doch zwei Lederriemen fixieren mich. Man hat eine dünne grüne Decke über mich gelegt, die meinen Kopf aber kaum bedeckt. Auf einem Tisch in der Nähe liegen metallische Gegenstände, die im Neonlicht blitzen.
Ich höre Stimmen und lausche aufmerksam, was passieren wird. Zwei Frauen stehen neben mir, beide in weißen Mänteln. Ihre Stimmen sind freundlich. Eine nimmt die Decke ab. Die Blonde mit den Handschuhen spricht ohne Pause und betastet nun meine alten Narben, die Karol immer selbst vernähte nach dem Kampf. Er führte stets eine große Tasche mit dem nötigen Material im Kofferraum seines Autos mit, wenn es zu einer Convention ging. Ich weiß nicht, wo Karol ist. Die blonde Frau wundert sich, daß ich nicht reagiere, als sie meine frischen Verletzungen berührt, aber ich kenne keinen Schmerz. Sie wäscht meine Wunden aus, flößt mir Wasser ein, das nach Arznei schmeckt. Dann vernäht sie die Hautlappen. Der Geruch von Desinfektionsmittel schwebt im Raum. Schließlich geht sie hinaus, kommt aber bald zurück. Sie zieht einen schwarzen Pudel an der Leine herein, der wedelt, als er mich sieht. Doch ich zapple am ganzen Leib. Wenn mich die beiden Lederriemen nicht festhielten, würde ich ihn kurzerhand zerfleischen. Der Pudel wird weggeführt, aufgebracht starre ich ihm hinterher. Die beiden Frauen beratschlagen kopfschüttelnd, dann tragen sie mich samt der Wanne, in der ich liege, aus dem Labor über einen anonymen Flur in einen anderen Raum, durch dessen Fensterläden mattes Tageslicht dringt. Sie betten mich auf eine weiche Unterlage und binden mich wieder fest. Wozu? Die Blonde mit den Handschuhen gibt mir eine weitere Spritze. Ich werde rasch müde.
Alle Menschen werden Brüder
Die Nacht hatte sich längst über das Tal gelegt, als Dean am späten Nachmittag aus Klagenfurt zurückkam. Er war nervös und gereizt, hatte er doch bis auf eine kleinere Summe seine eiserne Reserve abgehoben. Er versteckte das Geld, das er am Samstagabend zähneknirschend dem Mann aus Izola übergeben müßte, um seine Haut zu retten, dann schenkte er ein Glas Wein ein und schnitt eine Scheibe von dem Karstschinken ab, der in seiner vollen Pracht auf dem Küchentisch stand. Um achtzehn Uhr hörte er einen Wagen in den Hof fahren. Er erwartete niemand und spähte hinaus. Es war ein weißes Auto der Policija. Dean fluchte, trank sein Glas in einem Zug aus und stapfte die Treppe hinab. Abrupt öffnete er die Tür, bevor es klopfte. Vor ihm stand Mirko Rožman, der Kommandant der Dienststelle in Sežana, der soeben eine Zigarette auf der obersten Stufe austrat und Dean die letzte Rauchwolke ins Gesicht blies. So wie es aussah, war der Polizist merkwürdigerweise alleine.
»Ich war am Nachmittag schon einmal hier«, sagte Rožman ohne nähere Begründung.
»Ich nicht. Haben Sie kein Telefon?« Dean blieb in der Tür stehen, obwohl die Temperatur empfindlich gesunken war und ein kalter Wind durch das Tal fegte. Sein Kugelbauch nahm so viel Platz ein, daß Rožman eine Stufe nach unten treten mußte.
»Das persönliche Gespräch ist durch nichts ersetzbar. Wir
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