Die Rumplhanni
der Hanni geh i scho hoam«, sagt das Dirndl. Und sie faßt die Hanni bei der Hand und zieht sie mit sich fort.
Nun liegt also der Tote da, und man muß warten bis zum Morgen, bis er in die gelblackierte Truhe mit dem Hobelspanbett und den steifgestärkten Spitzen kommt und der Deckel mit dem blechernen Herrgott drauf den starren Leichnam einschließt in die Kammer, die leicht Platz hat in der stillen Grube draußen im Gottesacker. »Mei, is guat, daß 'hn unser Herrgott hoamgholt hat!« meint die Leichenfrau am Morgen, da sie den Abgeschiedenen wäscht und für die letzte Reise kleidet. »Für die arma Leut is der Tod allemal a Glück. Und fürn Weinzierl scho ganz gwiß. Sitzt sie scho wieder?« Die Hanni gibt ihr keine Antwort und geht hinaus. Indes die Leichenträger und die Geistlichkeit erscheinen, der Friedhofswagen mit den beiden Rappen vorfährt und also der ehrbare Kaspar Weinzierl für immer seine Herberg in der Au verläßt. Dabei dann einer von den Trägern zu den andern halblaut sagt: »Da werds mitn Trinkgeld mager ausschaugn!« und ihnen seufzend eine Prise aus der großen Dose anbietet.
Da nun die Kammer leer und ausgefegt und das Bett des Heimgegangenen in die Holzlege hinausgehängt ist zum Lüften, auch die Kinder versorgt und die Stube durchwärmt ist, da muß die Hanni daran denken, den Tod des Hausvaters seiner Wittib draußen mitzuteilen. Und so macht sie sich am Vormittag noch auf den Weg.
»Und wenn grad amal was wär, Hanni, mit eahm, oder mit die Kinder, nachher bringst mir die Botschaft 'naus; fahrst bis in d' Tegernseerlandstraß und gehst die Alleebaam nach. Wenn d' Häuser ausgehn, siechst es a so vor dir steh.« So sagte die Weinzierlin noch vor ihrem Gehen. Also fährt die Hanni mit trübem Sinn und müdem Kopf dahin und geht nachdenklich durch die alte Straße, indes der Föhn durch die Bäume pfeift, die Wolken jagt und drüben im Forst heulend über die Wipfel fegt, daß es weithin ächzt und kracht. Fröstelnd zieht sie ihr Wolltuch fester um die Schultern und blickt mit großen, starren Augen hinüber zu dem düsteren Häusergeviert mit der kleinen Kirche und den hohen Mauern, welche alles, was dahinter ist, abschließen von der Außenwelt. »Wann wirst du selber drin sein hinter dene Fenstergitter?« fragt sie sich; »wie mag dir wohl die Suppen schmecken drin in so einer Keuchen?« Und ein Zorn packt sie – über ihr hitziges Blut, über ihre Reise nach München, über alles, was Schuld trägt an ihrem Dasein überhaupt.
Unter solchem Denken und Sinnieren kommt sie unversehens an das hohe Gittertor, das sich eben hinter einem alten, dürren Weiblein schließt. Sie überlegt, ob sie nicht dem Pförtner noch rasch rufen sollt; aber sie tuts nicht. »Dann geh ich zu Maxim ... da bin ich sehr intim ...« Die Hanni blickt erschrocken um sich. Da trippelt auf zierlichen Stöckelschuhen eine modisch aufgeputzte Dame hinter ihr zum Tor, trällert und singt und wiegt den Kopf mit dem Federnhut dazu im Takt, schlenkert das Täschchen und den Schirm in der Hand und tut, als ging sie zu einem Reichsgrafen auf Besuch. Vor dem Eingang bleibt sie stehen, schaut von oben herab zur Hanni hin und fragt:
»Ham Sie schon gläut'!?« – »Naa.« Die Hanni betrachtet in starrem Staunen das noble Frauenzimmer und überhört schier, daß der Pförtner mit dem rasselnden Schlüsselbund das Tor aufschließt und einem die Freiheit gibt, einem bleichen, hageren Burschen im hellen Sommeranzug und Strohhut. Der zieht frierend die Schultern hoch, steckt die Hände tief in die Hosentaschen und sagt: »Joldene Freiheit, wie blickste mir an! Nee, Justav, so wat machste nich wieder!« Und damit stutzt er mit langen Schritten stadteinwärts. Der Schließer aber begrüßt die Dame mit den Worten: »So, bist scho wieder da, Kathi! Nur 'reinspaziert!« und sagt dann zur Hanni: »Wollen Sie auch 'rein?« Die fährt erschrocken zusammen. »Jaa ... dees hoaßt ... i muaß zum Herrn von dem Haus. I hab eppas zum ausrichten.« – »Aha. Also, dann gehn S' nur aa glei mit.« Drinnen in der Wachstube des Pförtners wird das feine Fräulein sogleich als alte Bekannte begrüßt und einer Aufseherin überwiesen. Die Hanni aber weist den Totenschein des seligen Weinzierl vor und sagt: »Ich muaß mit der Weinzierlfranzi redn. Ihr Mann is gstorbn, gestern.« Man stellt sie dem Inspektor der Anstalt vor; dann wird sie in eine Kammer geführt, die durch ein hohes Gitter in zwei Hälften getrennt ist. Sie setzt sich
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