Die Rumplhanni
fiebernd und zerschlagen auf einen Stuhl. Ein Schaudern erfaßt sie wieder, da sie daran denkt, daß sie vielleicht schon in wenig Tagen auch hier sein muß – als eine Bestrafte, eine Büßerin. Aber dazwischen kommt ein trotziger Grimm über sie. »Für was eigentli? Wegen was sperrn s' di ein? Was hast denn gar to? A paar fremde Mannsbilder hast a bißl scharf anlassen, weilst es net kennt hast, daß s' gwappelte gwen sand! – Ah was!...«
Eine Tür wird aufgeschlossen, eine robuste Wärterin mit harten Zügen und stahlgrauen Augen tritt mit der Gefangenen ein. Die Franzi wird bleich und rot; Angst wechselt mit dem Gefühl der Scham, hier hinter Schloß und Riegel, hinter Gitterstäben und im Beisein eines Dritten weiß Gott was hören, reden zu müssen. Aber die Hanni spürt, wie es der Franzi ist; sie würgt an ihrem Mitleid, Zorn und Schmerz, drückt die notpeinliche Verlegenheit nieder, die sie beim Anblick ihrer Hausmutter befällt, dabei sie an die Legend vom lieben Christusherrn denken muß, wie er vor dem Herodes stund; und sie sagt: »Franzi, du hast gsagt, wenn amal was is,... i muaß dir sagn ... daß dei Mo ... der Kaschba ... gestern ... ruhi ... und guat ... hoamganga is. Am Sunnta werd er eingrabn.« Es ist aus mit ihrer Fassung. Da drüben hinter diesem Beichtstuhlgatter, da steht die Wittib, wie eine schmerzhafte Mutter unterm Kreuz, schlägt die Händ vors Gesicht, läßt sie wieder sinken und sagt endlich mit einer fremden, toten Stimm:
»Der Vater. Mei Kaschba. Nachher san ma jetz alloa.«
Die Aufseherin unterbricht sie mit einem Wort des Beileids. Und meint darnach: »Mei, grad recht leicht wird er kaum gstorbn sein, Eahna Mann! Wenn man bedenkt, – die arma Kinder, und d' Frau da herin ...«
– »O du ...« Beinahe wäre der Hanni ein Wort entfahren, das ihr gewißlich eine Woche Aufenthalt in diesen Mauern eingebracht hätte; aber sie schluckt 's hinab. »Wennst was Bsonders hättst, Franzi: an Wunsch oder was; sag mirs. Was i toa kann, tua i.« Die Weinzierlin schüttelt den Kopf. »Naa, Hanni. Werst scho alles recht macha. A Sträußerl Rosen kaafst eahm, für mi, und a Meß laßt eahm lesen. – Ja, wenn i's Geld hätt! Aber mei. Unseroana is und bleibt der Depp. Im Lebn und im Sterbn. Aber dees macht nix. Dafür gehts die reichen Leut besser. Geh, Hanni, gehn ma wieder. I mag net grob sein. Wenn oana an Geldsack scho in d' Wiagn nei kriagt, kann er so weni was dafür, als wia oana, der an Buckel mit auf d' Welt bringt, oder an Kopf ohne Verstand. Mach dei Sach guat. Am Samstag acht Tag bin i wieder frei. Frailn Maier, führn S' mi wieder auffe, bitt schön. Pfüate Good, Hanni. Schaug auf meine Kinder ...« Ein hartes Weinen schüttelt sie, da sie geht. Die Hanni macht sich still auf den Heimweg.
Der Weinzierl ist zur Erden bestattet mit dem Gepräng und den Ehren, die ihm gemäß der Klasse, für die bezahlt wurde, zukamen. Und die Hanni begleicht die Totenrechnungen, bindet den Kindern schwarze Halstüchlein um, fegt das Haus von unten bis oben und geht danach wieder zum Handeln wie zuvor. Bis endlich die Weinzierlin kommt und ihr die Geldtasche samt dem Karren abnimmt, indem sie sagt: »Is mir lieber, wannst du dahoam bleibst bei die Kloana. Du konnst mit der Hausarbeit besser umgehn, und i mitn Handeln.«
So hätte denn die Hanni ihr Heimatl, ihre Erdäpfel mit der Brennsuppen und ihre Arbeit. Aber wie es halt so ist im Leben: hat einer den Strick, so möcht er den Esel dazu, und hat er den Esel, so möcht er ein Roß. Und da die Hanni das Häflein hat, möcht sie auch eine Wurst darein. Oft steht sie an dem Guckloch des hochgiebeligen Schindeldaches oder droben auf der Höhe des Fischerberges, schaut mit brennenden Augen über die großmächtige Münchnerstadt hin und seufzt: »Ja, ja. Wer da drin an Orts so an Palast hätt! A rare Hoamat und a Geld und a Ansehng bei die Leut ...« Wohl ist sie ihrer Hauswirtin dankbar für die Aufnahm, für das Vertrauen, wohl kommt sie sich da draußen in der altmodischen Vorstadt mit ihren gemütlichen Häuslein und Hütten, mit ihren Gassen und Winkeln und dem grünen Wasser, das sich mittendurch schlängelt, schier wie daheim vor; aber in ihr bohrt der Ehrgeiz, das Verlangen nach Wohlstand und Ansehen. Und sie überlegt schon, wie sie einen Vorwand fände, der Weinzierlin den Pfüagott zu geben.
Da schickt sichs, daß sie eines Tags in ihrem blauen Festgewand eine Karte findet, die ihr das Blut gählings in die Schläfen treibt:
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