Die Runde der Rächer
Schultern. Auch die metallisch glänzende Krone schien seinen Kopf noch tiefer zu drücken. Sein Mund stand offen, das sahen wir sogar von der Seite her. Es wirkte so, als wäre in sein Gesicht ein Loch geschlagen worden.
Er hatte sich auf den Schultern seiner Getreuen abgestützt. Dabei stand er leicht gebeugt, und sein Kopf pendelte vor und zurück. Er war mit einem langen Gewand bekleidet, das möglicherweise mal prächtig ausgesehen hatte, jetzt jedoch unscheinbar war. Es hatte ebenso die braungraue Farbe angenommen wie auch die Kuttenkleidung der Kreaturen.
Wer waren sie? Was waren sie?
Ich hatte mir natürlich meine Gedanken darüber gemacht, war aber leider zu keinem Ergebnis gekommen. Mir waren schon zahlreiche Kreaturen und Monster über den Weg gelaufen. Besonders Aibon besaß dafür ein Faible, denn dort gab es das zu sehen, was in den Sagen und Legenden der Menschen oft nur zu lesen war.
Ich hatte Elfen, Feen, Trolle, Ungeheuer und Wassergeister erlebt, aber nicht diese Art von Mutationen, bei deren Entstehung so einige beteiligt gewesen waren.
Dass wir von ihnen nicht angegriffen wurden, wunderte mich nicht. Wir als Personen waren nicht wichtig genug. Hier zählte vorerst nur ein anderes Geschehen, für das mir der Begriff Wachablösung eingefallen war.
Der König ging, der andere kam!
War es wirklich so einfach? Ich glaubte nicht so recht daran, aber Ethan schien es zu glauben. Das war seiner Haltung anzusehen. Uns übersah er einfach. Hier fühlte er sich so sicher, als wäre ihm ein lang ersehnter Traum erfüllt worden.
Irgendwie kam ich mir auch vor wie im Märchen. Aber nicht alle Märchen besitzen ein Happyend, das wusste ich auch. Was wir erlebten, hätte ich auf keinen Fall meinen Kindern als Märchen erzählen wollen.
King Justin hatte sich lange genug ausgeruht. Er war dabei trotz der Stütze zusammengesunken. Jetzt aber raffte er sich wieder auf, wobei ein Zittern durch seine Gestalt lief, als er sich wieder aufrichtete. Er hob auch den Kopf an, um sich auf seinen Nachfolger konzentrieren zu können. Die Augen blieben rot. Sie blieben starr. Es war kein Flackern darin zu sehen.
Dann setzte er das Bein wieder vor. So ging ein alter Mann, ein Greis. So ging jemand, der schon aufgegeben hatte, und genau das wollte ich nicht glauben. Diese Welt hatte dem König von Cumbria Schutz gewährt, und ich glaubte nicht, dass sie ihn so einfach fallen lassen würde.
Vorhin war er noch gegangen. Jetzt schlich er. Er schlurfte über den Boden hinweg, war noch zittriger geworden und legte immer wieder eine kurze Pause ein, um sich an den Schultern seiner Kreaturen festzuhalten.
Ethan tat nichts, um ihm zu helfen. Er schaute Justin entgegen, weil er warten wollte, bis der ihn erreichte.
Und das war bald passiert.
King Justin schaffte auch die letzten beiden Schritte, stützte sich noch einmal ab und fand dann die Kraft, sich aufzurichten und Ethan gegenüber stehen zu bleiben.
Beide schauten sich an.
Auf der einen Seite der normale Mensch, auf der anderen war es ein lebender Toter, auch wenn das nicht genau zutraf, denn unter Zombies stellt man sich normalerweise etwas anderes vor.
Und dann sprach Justin. Genau darauf hatten wir gewartet. Es war einfach nicht möglich, dass hier alles stumm über die Bühne laufen würde. Er und Ethan mussten miteinander in Kontakt treten. Zumindest sollte ein Mensch in dieser Welt begrüßt werden.
Wir sahen nicht, dass sich der Mund der uralten Gestalt bewegte. Die Wörter hatten sich tief in der Kehle gebildet, und jedes war mit einem leisen Nachhall verbunden. Sie hörten sich zudem wenig natürlich an. Es war kaum vorstellbar, dass Justin sie selbst sprach. Irgendwo musste jemand hocken, der sie mit einer fremden Stimme aussprach. Das empfanden wir so.
»Endlich«, sagte Justin, »endlich bist du da. Ich habe so lange auf dich gewartet...«
Ich schaute Suko an. Dabei konnte ich mir ein Lächeln nicht verkneifen. »Es ist so, wie wir es uns gedacht haben, Suko. Das kann zu einer Wachablösung kommen.«
»Und wie will Justin es diesen Kreaturen beibringen, dass bald ein anderer sie führen wird?«
»Das ist noch nicht unser Problem.«
Wir hatten keinen Grund, einzugreifen. Es war keinem ein Leid angetan worden. Dass es mit dieser Begrüßung beendet sein würde, konnte sich auch keiner vorstellen.
Justin hatte Ethan die Chance gegeben, über seine Worte nachdenken zu können. Auch wir waren gespannt auf die Antwort des jungen Mannes, die sich noch
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