Die Runen der Erde - Covenant 07
finster wie zuvor. Die Urbösen stanken nach Moder und Verwesung, nach allen möglichen verfaulenden Dingen.
Was zum Teufel ging hier vor? Und was waren ›Ranyhyn‹? Hami und Stave hatten sie schon früher erwähnt, aber sie wusste nicht, was sich hinter diesem Begriff verbarg, auch wenn sie sich dunkel erinnerte, ihn schon einmal gehört zu haben. Sie wünschte sich sehnlich, sie könnte die Urbösen verstehen.
»Mähnenhüterin«, rief sie halblaut, »entschuldige bitte. Er spricht nicht für mich. Ich weiß nicht einmal, wovon er redet. Aber ihr braucht keine Feinde zu sein. Die Haruchai, die ich gekannt habe, waren unbeirrbar treu. Sie haben uns unter allen Umständen beigestanden.«
»Auserwählte«, warf Stave leidenschaftslos ein. »Die Ramen hören dich nicht mehr.«
»Was ...?«
»Stimmt«, bestätigte Liand sarkastisch. »Sie sind weitergezogen. Die Worte des Meisters haben sie vertrieben.«
Linden starrte die schwarze Masse der Urbösen an und versuchte, an ihnen vorbeizusehen. »Warum?« Sie fühlte sich in der nachtdunklen Kluft wie blind. »Was machen sie?«
Sie konnte nicht glauben, dass die Ramen sie verlassen haben sollten.
»Das weiß ich nicht«, antwortete Stave. »Ihre Absichten bleiben verborgen.«
»Aber wenn sie uns nicht führen«, murmelte Liand, »kommen wir hier nie heraus. Wir kennen den Weg nicht.«
Linden wandte sich von der unbestimmten Bedrohung durch die Urbösen ab.
»Stave, ich verstehe dich nicht.« Der Haruchai war kaum mehr als eine vage Gestalt in der Nacht, ein Schemen. »Sie haben uns das Leben gerettet. Du hast dich verhalten, als respektiertest du sie. Du hast dich ihnen gegenüber sogar kompromissbereit gezeigt, was du mir gegenüber nie getan hast. Und jetzt suchst du Streit mit ihnen?«
Dunkelheit und Kälte machten die Hilfe der Ramen unverzichtbar.
Falls er sich von den Urbösen bedroht fühlte, ließ sein Tonfall nichts davon erkennen. »Linden Avery, du akzeptierst uns nicht. Vielleicht bist du aus diesem Grund allzu rasch bereit, diesen Ramen zu vertrauen, obwohl du nichts über sie weißt. Ich dagegen misstraue ihnen. Du solltest verstehen, dass ich meine Gründe dafür habe.«
Das klang, als wolle Stave sie auffordern, sich auf seine Seite zu stellen.
»Welche Gründe?«, fragte sie.
»Du hast die Ranyhyn nicht gekannt«, antwortete er. »Und gesprochene Worte können ihren Wert nicht schildern. Sie gehören ...« Er zögerte kurz. »... oder haben vielleicht zu den kostbarsten Schätzen des Landes gehört. Die großen Pferde von Ra waren fleischgewordene Erdkraft. Ihre Schönheit und Kraft spielte keine geringe Rolle bei dem Erstaunen, das unsere Vorfahren an ihren Eid band, und die Bluthüter haben sie stolz im Dienst geritten. Ihre Abwesenheit setzt uns herab. Ohne sie ist das Land unvollständig, und alle unsere Bemühungen können es nie mehr ganz machen.« Er machte eine Pause, dann fuhr er ernster fort: »Die Ramen waren die Hüter der Ranyhyn. Vielleicht stehen sie weiter in ihrem Dienst. Aber wo sind die Ranyhyn? Weshalb sind die großen Pferde nicht auf die Ebenen von Ra zurückgekehrt? Und warum halten die Ramen sich in diesen Bergen versteckt, umgeben sich mit Urbösen und helfen Wahnsinnigen, wenn das Land ihre Heimat ist und die Ranyhyn dort gebraucht werden?« Streng schloss er: »Ich fürchte, dass sie in die Hand des Verderbers gefallen sind.«
Er hatte die Urbösen als großes Übel bezeichnet. Auch dafür musste er seine Gründe haben.
»Weißt du das bestimmt?«, fragte Linden drängend. » Siehst du es?« Die Haruchai waren gegen Kevins Schmutz immun, und bloße Nacht konnte die übrigen Aspekte des Sinns für das Gesunde nicht beeinträchtigen.
»Das tue ich nicht«, gab er zu. »Aber wir sind die Meister des Landes und müssen solche Gefahren im Auge behalten.«
»Linden.« Liands Stimme zitterte vor Kälte. »Hier können wir nicht bleiben. Dieser Wind richtet uns zugrunde, und unsere Mäntel und Decken trägt Somo, der irgendwo hinter uns ist. Wir müssen weiter aufsteigen und versuchen, den Weg selbst zu finden.«
Verdammt, er hatte recht. Die Ramen hatten ihre Gefährten und sie in unhaltbarer Position zurückgelassen. Um Liands willen sagte sie jedoch: »Uns geschieht nichts. Sie haben uns nicht im Stich gelassen. Sie helfen uns, wenn wir Hilfe brauchen.« Grimmig beschloss sie zu versuchen, den Aufstieg über das steile Geröllfeld aus eigener Kraft zu schaffen. Sie hatte genug von Stave. Wenn die Urbösen sie
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