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Die Runen der Erde - Covenant 07

Die Runen der Erde - Covenant 07

Titel: Die Runen der Erde - Covenant 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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sich nicht. Er stand den Urbösen wie aus Finsternis gehauen gegenüber.
    Liand verharrte einige Sekunden lang unbeweglich über dem Becher. Dann begann er leise zu lachen: ein stiller, reiner Laut wie der Schwung eines Besens, der Spinnweben und Ängste hinwegfegte.
    »Ich bin erstaunt. Der Geschmack ist wirklich unangenehm. Ich habe brackiges Wasser und fauliges Moos geschmeckt, die zu meiner Zunge freundlicher waren. Trotzdem übertrifft es die Wirkung von Aliantha in meinen Adern. Linden Avery, das hätte ich nie für möglich gehalten.«
    Sie nickte freudig, aber bevor sie etwas erwidern konnte, nahm der vor ihnen stehende Urböse den Becher wieder an sich und zog sich in die Reihen seiner Genossen zurück. Im nächsten Augenblick trat ein größeres Wesen mit einem spitzen Eisenstab wie eine Harpune vor: der Lehrenkundige. Linden gab sich instinktiv einen Ruck, weil sie sich über die Absichten des Wesens im Unklaren war, aber der Lehrenkundige bellte nur seine Waffe an, aus deren Spitze daraufhin eine glutrote Flamme schlug, die stetig anwuchs, bis der Stab einer Fackel glich. Bald warf das Feuer einen Kreis aus rötlichem Licht über das steile Geröllfeld, und Linden begriff, dass der Lehrenkundige ihnen beim weiteren Aufstieg leuchten wollte. Die Urbösen versuchten weiterhin, ihr zu helfen. Indem er roten Feuerschein nach allen Seiten verbreitete, setzten der Lehrenkundige und seine Schar sich langsam bergauf über das Geröllfeld in Bewegung, als wollten sie Linden und ihre Gefährten mit sich ziehen.
    Nach Staves Aussage verkörperten sie großes Übel. Und sie hätten alle seit Jahrtausenden tot sein müssen. Lord Foul hatte nichts unversucht gelassen, um sie auszurotten. Trotzdem waren sie unglaublicherweise hier. Wie Anele schienen sie die Zeitläufte überdauert zu haben. Wenn Aneles Darstellung seiner Lebensgeschichte glaubwürdig war ...
    Linden sah erst Stave, dann Liand an. Der Meister erwiderte ihren Blick ausdruckslos, gestand ihr nichts zu; aber Liand nickte. »Lass uns weitergehen. Dieses Vitrim wärmt mich eigenartig. Solange seine Wirkung anhält, täten wir gut daran, uns einen windgeschützten Ort zu suchen.«
    Linden wandte sich an den Lehrenkundigen. »Zeig uns den Weg. Wir folgen dir.«
    Die Urbösen zogen sich weiter zurück, und sie begann hinter ihnen aufzusteigen – dank des Vitrim förmlich über die Felsen schwebend.
     
    *
     
    Selbst mit Hilfe der Urbösen war der Aufstieg qualvoll und langwierig. Vitrim war keine Heilerde; es verlieh ihr Kraft, konnte aber wunde Muskeln und schmerzende Gelenke nicht heilen. Schon bald begannen Lindens Knie zu zittern, und sie hatte Mühe, in dem trüben Feuerschein das Gleichgewicht zu bewahren. Trotzdem war sie froh, dass Stave sie nicht mehr tragen musste. Sie konnte es sich nicht leisten, von ihm abhängig zu sein.
    Die Urbösen hatten ihr mehr als nur Nahrung und Beistand gewährt. Das Leuchten in ihren Adern hatte sie befähigt, ein notwendiges Bewusstsein ihrer selbst zurückzugewinnen.
    Trotzdem war der Aufstieg beschwerlich. Ihr Körper wurde allmählich gefühllos, von der Anstrengung erschöpft, die es kostete, ihre Stiefel zu heben, mit Handflächen und Schienbeinen über die gezackten Erinnerungen der Felsen zu streifen, die ihr zugeflossene Wärme und Kraft aufzubrauchen. Aneles Vergangenheit – und die des Einholzwaldes – hörte auf, sie zu schmerzen. Der rätselhafte Beistand der Urbösen büßte seine verstörende Beredsamkeit ein. Während sie stieg und stieg, schrumpften die Kluft und der Wind und das Dunkel zu einem rötlichen Lichtfleck, einem gefährlichen Wirrwarr aus scharfkantigen Felsbrocken.
    Irgendwann tauchte einer der Ramen auf. Vielleicht hatte Hami den jungen Mann zurückgeschickt, damit er sie führte. Dann wurde der Pfad steiler, halsbrecherischer. Linden hatte das Gefühl, eine Wand zu durchklettern, aus der sie jeden Augenblick stürzen konnte, um für den Rest ihres Lebens zu fallen. Aber sie verlor nicht den Halt – oder ihre Begleiter stützten sie –, und nach unbestimmbar langer Zeit büßte der Wind seine schneidende Schärfe ein.
    Dann fand sie sich unter einem unendlich weiten Sternenhimmel statt auf Fels auf Erdreich und Gras kniend wieder. Dort konnte sie leichter gehen, und Liand oder einer der Seilträger stützten sie, wenn ihre Knie nachgaben. Mehrere Ramen begleiteten sie jetzt, aber die Urbösen waren irgendwann verschwunden, hatten sie in der Nacht und dem Sternenlicht

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