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Die Runen der Erde - Covenant 07

Die Runen der Erde - Covenant 07

Titel: Die Runen der Erde - Covenant 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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die Probe gestellt werden.
    Linden richtete seufzend ihren schmerzenden Körper auf und überquerte die freie Fläche, um auf dem Gras mit Anele zusammenzutreffen. Sobald sie heran war, streckte er beide Hände nach ihr aus, packte sie an den Schultern und zog sie näher zu sich, als wolle er sie in die Arme schließen. »Linden«, flüsterte er mit tränenerstickter Stimme. »Oh, Linden. Ich bin so froh, dich zu sehen.«
    Eine Stimme, die sie kannte.
    Aus seinen Mondstein-Augen strömten Tränen, die Linden ebenso schockierten wie der Klang dieser Stimme aus seinem Mund. Sie hatte ihn oft weinen gesehen, aber dies war etwas anderes. Bis zu diesem Augenblick hatte sie noch nie erlebt, dass er aus Mitgefühl weinte.
    Aus Freude und Mitgefühl.
    »Ich dachte schon, ich würde dich nie wiedersehen.« Er sprach hastig, fast stammelnd, als hätte er zu viel zu sagen und zu wenig Zeit dafür. »Ich hätte es niemals geglaubt. Aber es ist passend. Es ist richtig. Du bist die Einzige, die es schaffen kann.«
    Thomas Covenants Stimme.
    Linden kannte sie so gut wie ihre eigene und liebte sie mehr. In seinem Wahn sprach Anele mit Covenants Worten, in Covenants Stimme zu ihr.
    Sie rang buchstäblich nach Luft. »Covenant«, keuchte sie einer Ohnmacht nahe. »Oh, Liebster!« Der Klang seiner Stimme ließ das gesamte Tal still werden. Von einem Augenblick zum anderen hatten die Ramen und alles, was sie taten, zu existieren aufgehört; waren zu Traumgestalten geworden. Stave und Liand standen in irgendeiner anderen Welt, in einer Dimension der Realität, die Lindens eigene nicht mehr berührte, auf dem von Wohnstätten umgebenen Platz. Ihr Liebster sprach nicht mit ihnen.
    Anele umarmte sie, drückte sie mit der ganzen Kraft von Covenants Herz an sich. Dann hielt er sie auf Armeslänge von sich entfernt, um sie mit blinden Augen anstarren zu können. Aus seinem Blick sprach unendliche Sehnsucht.
    »Linden«, sagte er, noch immer in fliegender Hast, »hör mir gut zu. Ich habe nicht viel Zeit. Ich kann dir nicht viel erzählen.«
    Covenant war tot – hier und in der Welt, in der sie einst gemeinsam gelebt hatten. Sie hatte zehn Jahre lang um ihn getrauert. Aber dies war das Land, und das Gesetz von Leben und Tod war gebrochen worden.
    Sie starrte ihn stumm und mit Tränen in den Augen an, war nicht imstande, ihren Kummer und ihr Bedauern auszudrücken. Hätte sie den Mund aufgemacht, hätte sie zu schluchzen begonnen wie ein Kind.
    »Das Gesetz bindet mich auf so vielfältige Weise.« Anele war Covenants Surrogat, seine einzige Stimme. »Täte es das nicht, wäre es nicht wert, dass man dafür kämpft. Und er kämpft gegen mich. Hier – in dieser Gestalt – ist er stärker als ich. Der arme Anele kann mich nicht festhalten. Ich verblasse bereits.«
    Während er das sagte, sah sie, dass er recht hatte. Der Alte blieb weiterhin körperlich vor ihr. Seine Finger hielten ihre Schultern drängend gepackt; in irgendeinem anderen Leben hätte sein Griff schmerzen können. Aber in seinem Inneren kämpfte eine andere Form des Wahnsinns gegen Covenants Anwesenheit an. Trotz Covenants Begehren und Aneles bereitwilliger Unterwerfung spannte ein hasserfüllter Wille seine Kräfte an, um ihren Liebsten zu vertreiben.
    Er kämpft gegen mich. War das derselbe Er, der Anele zuvor befohlen hatte, nicht zu sprechen? Oder irgendein anderer Feind?
    Aneles jetziger Wahnsinn hatte keine Ähnlichkeit mit seiner fast vernünftigen Art auf dem Felsgrat.
    »Für dich wird es hier Probleme geben.« Covenants Stimme klang bereits abgehackt, bruchstückhaft. »Große Probleme.« Sie war dabei, ihn wieder zu verlieren. »Du wirst den Ring brauchen. Aber geh vorsichtig damit um.« Sein Tod war fast ihr Verderben gewesen. »Er nährt die Zäsuren .«
    Covenant!
    Sie konnte es nicht ertragen, ihn ein zweites Mal zu verlieren.
    »Linden«, sagte er mit letzter Anstrengung, » finde mich. Ich kann dir nur helfen, wenn du mich findest.«
    Im nächsten Augenblick stieß Anele sie mit solcher Gewalt zurück, dass sie fast gestürzt wäre. Bevor sie ihn festhalten, Covenants Namen ausrufen und versuchen konnte, Aneles Gefühlsaufruhr mit ihrem Sinn für das Gesunde zu durchdringen, hastete der Alte an ihr vorbei und hinaus auf das kurze Gras des Platzes zwischen den Wohnstätten. Sie nahm die Verfolgung auf, rannte hinter ihm her. Aber sie kam zu spät; das sah sie deutlich, obwohl sein Gesicht ihr abgewandt war. Die Verwandlung seiner Aura war unverkennbar. Trotzdem

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