Die Runen der Erde - Covenant 07
passiert war.
Aber dann drückte einer der Seilträger Liand eine kleine Schale in die Hand. Als der Steinhausener die Heilsalbe der Ramen behutsam auf ihrem verbrannten Gesicht zu verteilen begann, stieg ihr der Duft von mit Wasser angeriebenem Amanibhavam in die Nase. Um Covenants willen gestattete Linden sich ein einziges raues Schluchzen, als ringe sie nach Luft, nach Leben. Dann kämpfte sie darum, sich aufzusetzen.
Du brauchst den Stab des Gesetzes, hatte ihr Geliebter ihr im Traum erzählt, doch dessen war sie sich bereits zuvor bewusst gewesen.
Sie hatte ihre Hilflosigkeit gründlich satt.
Liand half ihr aufzustehen; er blieb neben ihr, damit sie sich auf ihn stützen konnte, während sie sich allmählich sammelte. »Lass dir Zeit«, empfahl er ihr flüsternd. »Du bist völlig erschöpft und hast Verbrennungen. Ich kann keine schweren Verletzungen erkennen, aber ich bin kein Heiler und täusche mich vielleicht. Bestimmt verzichten die Ramen jetzt auf ihre Proben. Sie müssen einsehen, dass du nicht mehr ertragen kannst.«
Linden schluckte trocken, um freier atmen zu können. Offenbar kannte Liand sie noch nicht sehr gut. Dann schob sie seine Hand mit der Schale weg. Dabei fiel ihr wieder auf, was für buschige schwarze Augenbrauen er hatte. Zog er sie wie jetzt zusammen, überschatteten sie seine Augen mit bösen Vorahnungen, die von Verlust kündeten.
»Hilf mir stehen«, flüsterte sie mit zusammengebissenen Zähnen. »Sonst klappe ich zusammen.«
Für dich wird es hier Probleme geben.
Der junge Mann stützte sie mühelos; er fühlte sich massiv und zuverlässig wie ein Steinpfeiler an. Als sie dann ohne Hilfe zu stehen versuchte, schwankte sie einen Augenblick, weil die Hitze ihres verbrannten Gesichts, flammend wie Schuld, ihre Willenskraft unterminierte. Aber Liand stützte sie weiter leicht, und sie verließ sich auf ihn. Sobald Linden ihr Gleichgewicht wiedergefunden hatte, forderte sie ihn auf: »Bring mich zu Anele.«
Mähnenhüterin Hami war auf sie zugekommen, als sie sich aufgerappelt hatte, die Frau wollte offenbar intervenieren, aber Linden drängte: » Sofort, Liand. Bevor es zu spät ist.«
Bevor jegliche Spur des Wesens, das von Anele Besitz ergriffen hatte, verschwunden war.
Bevor ihr einfiel, dass sie Angst hätte haben müssen.
Hami trat sofort zurück. Sie erteilte einer Seilträgerin, einer jungen Frau mit wallender Mähne im Farbton von Liands Augenbrauen, einen kurzen Befehl. Die Ramen glitt geschmeidig vor ihnen her, als sie Linden und den Steinhausener über den Platz führte.
Linden klammerte sich an ihn. Sie war noch nicht fertig mit ihm; noch längst nicht.
Die Seilträgerin ging rasch an zwei oder drei Wohnstätten vorbei, betrat dann eine von ihnen am Rand des Lagers, wo Anele auf einem Bett aus Soden und Farnkraut lag. Linden erkannte sofort, dass Hami den Alten richtig beurteilt hatte: Er war bewusstlos, benommen, nicht ernstlich verletzt. Trotzdem klangen seine Atemzüge irgendwie schmerzhaft stockend. Zum Glück waren seine Augen geschlossen, sodass seine Blindheit ihr nicht vorwarf, ihn im Stich gelassen zu haben. Genick und linke Kopfseite schmerzten ihm von Staves Faustschlag; aber der Haruchai hatte seine Kraft genau dosiert, hatte keine Knochen gebrochen, keine bleibenden Schäden verursacht. Anele würde bald wieder auf den Beinen sein. Weil er Erdkraft in sich hatte, würde seine Verletzung wahrscheinlich rascher abklingen als Lindens Muskelkater und die Verbrennungen in ihrem Gesicht.
Aber Aneles körperliche Erholung interessierte Linden nur am Rande; ihr Handeln wurde von anderen Notwendigkeiten bestimmt. Noch immer wagte sie nicht, auch nur einen Augenblick lang zu zögern. Hätte sie innegehalten, gezögert, nachgedacht, gezweifelt, würde ihr einfallen, dass ihr Vorhaben ungeheuer gefährlich war. Dass es sie vernichten konnte.
»Hier.« Sie hatte es plötzlich eilig, als sie Liands Arm losließ und die Kette vom Hals nahm. Dann drückte sie dem jungen Mann die Kette mit Covenants Ring in die Hand. »Nimm sie, bewahr sie für mich auf.« Ohne das Gewicht der Kette erschien ihr Hals ihr sofort nackt, für jeden Angriff verwundbar. »Bewach sie für mich.«
Liand starrte sie an, als stünde er unter Schock; seine Hände umschlossen Kette und Ring nur langsam, als fürchte er, sie könnten ihm die Finger verbrennen.
»Sollte mir etwas zustoßen«, wies sie ihn an, »irgendwas, das dir unheimlich ist, verschwindest du schleunigst von hier. Versuch
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