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Die Runen der Erde - Covenant 07

Die Runen der Erde - Covenant 07

Titel: Die Runen der Erde - Covenant 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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passenden Gefährten gefunden. Ich bin ein Teil von beiden – zugleich mehr als beide und weniger als jeder von ihnen.« Nochmals zuckte er mit den Schultern. »Mit den Schlägen habe ich meinen Hass verausgabt, zumindest für gewisse Zeit. Bis er wieder erstarkt, kann ich ihn unterdrücken.«
    Linden funkelte ihn an. »Und du musstest gleich über ihn herfallen? Du konntest nicht mal abwarten, ob die Ranyhyn ihn akzeptieren würden?«
    Esmers Augen blitzten; sein Kiefer war plötzlich angespannt. »Hast du mich nicht gehört?«, fragte er mit zusammengebissenen Zähnen. »Ich bin, wozu ich gemacht bin. Jeder Augenblick meines Daseins besteht aus Schmerzen und Widerstreit.«
    Linden schüttelte den Kopf. Er hatte ihre Frage noch immer nicht beantwortet. Sie begriff nicht, wieso der Hass der Tänzerinnen der See seine Gewalt gegenüber Stave erfordert hatte. Sie merkte jedoch auch, dass sie keine befriedigendere Antwort bekommen würde. Vielleicht hatte Esmer ihr tatsächlich schon alles erzählt, was er über die Zwänge wusste, die ihn beherrschten.
    Oder – und dieser Gedanke schmerzte – er hatte nur die reine Wahrheit gesagt. Vielleicht beherrschte sein unseliges Erbe ihn, lastete mit solcher Grausamkeit auf ihm, dass er nicht anders konnte, als aus dem Hass seiner Mütter auf seinen Vater heraus zu handeln.
    Diese schockierende Vorstellung ließ sie zunächst schweigen. Solche Vermächtnisse kannte sie aus leidvoller eigener Erfahrung. Ihr Vater hatte sich mit ihr auf einem Dachboden eingesperrt, um sie zu zwingen, Augenzeugin seines Selbstmords zu werden. Und ihre Mutter ...
    ›Niemand‹, hätte sie am liebsten beteuert, macht dich zu dem, was du bist. Du musst dich immer selbst entscheiden. Das war ihre feste Überzeugung. Trotzdem erregte allein seine Nähe leichte Übelkeit in ihr.
    Vielleicht täuschte sie sich auch, was die Umstände seines Falls betraf. In dem Bemühen, zu ihren Absichten, zu ihrem Zielbewusstsein zurückzufinden, änderte sie ihre Taktik.
    »Du hast den Seilträgern erklärt, du wolltest ›zu meinem Vorteil‹ mit mir sprechen. Was um Himmels willen glaubst du, für mich tun zu können?«
    Diesmal seufzte er hörbar. »Wildträgerin, ich bin Elohim und Haruchai, Theurgie und Kraft, Verrat und Treue, Hass und Liebe. In Erwartung deiner Ankunft ziehe ich seit Jahrtausenden voller Schmerz über die Erde. Mir wurde Wissen über viele Dinge geschenkt, und ich habe viel dazugelernt. Fragst du, werde ich antworten – solange ich kann.«
    Bis seine Abscheulichkeit wieder erstarkte.
    Linden fühlte sich etwas schwindlig. Möglichkeiten durchzuckten sie wie herabstoßende Raubvögel. Sie konnte sich nicht mehr aufrecht halten. Stattdessen sank sie leicht nach vorn, stützte die Ellbogen auf die Knie und ließ ihren Kopf zwischen den Händen ruhen.
    Fragte sie ihn danach, konnte Esmer ihr Aneles Wahnsinn erklären. Er konnte von Kasteness, den Skurj oder Kevins Schmutz erzählen. Er konnte schildern, wie die Urbösen hierher gelangt waren, obgleich Lord Foul versucht hatte, sie gänzlich auszurotten.
    Viele Dinge ...
    Teufel, wahrscheinlich wusste er sogar, ob sie Covenants Stimme wirklich im Traum oder aus Aneles Mund gehört hatte.
    Wer viel fragt ...
    Fast ohne zu merken, dass sie sprach, flüsterte Linden: »Kannst du mir sagen, wo ich meinen Sohn finden kann?«
    »Nein«, antwortete Esmer schroff. »Der Verächter ist mir verborgen.«
    Esmer wusste, dass sie einen Sohn hatte. Er wusste, dass Lord Foul ihr Jeremiah geraubt hatte. Trotzdem vermittelte seine Reaktion ihr den Eindruck, eine Frage vergeudet zu haben.
    Großer Gott.
    Mühsam unterdrückte sie den Impuls, ihn zu fragen – nein, Auskunft darüber zu fordern –, ob Jeremiah und sie jemals wieder in ihre eigene Welt würden zurückkehren können. Sie wusste längst Bescheid. Das Einschussloch in ihrer Bluse bewies, dass sie ihr früheres Leben endgültig verloren hatte. Covenant, den ein Messerstich ins Herz getroffen hatte, war im Wald hinter der Haven-Farm nicht wieder zum Leben erwacht. Auch für sie würde es keine Wiederauferstehung geben.
    Stattdessen sagte sie aufgebracht: »Wie praktisch! Ich frage mich, wie viele weitere wichtige Einzelheiten dir zufällig ›verborgen‹ sein mögen.«
    Dann hob sie die Hände, um eine Reaktion abzuwehren. »Also gut, ich will es noch mal versuchen. Warum hast du Anele gequält? Auf dem Felsgrat warst du es, der ihn nicht hat reden lassen. Und du hast auch Covenant daran gehindert

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