Die Runen der Erde - Covenant 07
Köpfe vor ihr geneigt; sie war von den großen Pferden von Ra akzeptiert worden. Und Esmer hatte klargemacht, dass er ihre Entscheidungen achtete.
Wären die Ranyhyn früher gekommen, wäre Stave nicht verletzt worden ...
Pahni und Bhapa musterten Esmer mit finsterem Misstrauen, aber sie gehorchten. Als Linden sich neben Staves ausgestreckt daliegende Gestalt gesetzt hatte, verließ auch Char die Wohnstätte. Sie beobachtete nicht, wohin die Seilträger gingen, vermutete aber, dass sie weiter dafür sorgen würden, dass sie ungestört blieb.
Absichten, die Linden noch nicht genau benennen konnte, hatten im Schlaf angefangen, in ihr Gestalt anzunehmen. Ihre gegenwärtige Notlage war unhaltbar, das stand fest. Sie musste geändert werden. Sie konnte sich nicht vorstellen, was Esmer zu ihr sagen würde; aber sie wusste, was sie ihn fragen wollte. Ihre Fragen waren jedoch nur unausgereifte Vermutungen, unvollständige intuitive Sprünge; zu beunruhigend, um mit anderen geteilt zu werden. Zumindest vorläufig wollte sie nicht von jemandem belauscht werden, der sie hätte missverstehen – oder ihr Vorhaben missbilligen – können.
Esmer sah ihr noch immer nicht ins Gesicht. Er schlenkerte unbeholfen mit den Armen, als seien sie sich ihres Zwecks nicht bewusst oder vor Kummer rastlos. Hinter ihr war der bewusstlos hingestreckte Haruchai ein Beweis für Esmers beherrschte Tödlichkeit.
Sie zögerte nicht. Sie war zu wütend. Zu müde, um Angst zu haben. »Du willst reden, hast du gesagt«, fauchte sie. »Also sprich! Erzähl mir, weshalb ich einem Mann zuhören sollte, der jemanden, der ihm bestimmt nichts hätte anhaben können, fast umgebracht hat. Wo ich herkomme, tun so etwas nur Feiglinge.«
Esmer zuckte unbehaglich mit den Schultern. »Ich bin der Sohn von Cail und Meerjungfrauen.« Sein Tonfall war sanftmütig, sein Auftreten keineswegs herausfordernd. »Ich stamme vom Blut und der Macht und dem Verrat der Elohim sowie anderen Theurgien ab. Und auch von wahrem Dienst, dem Stolz der Haruchai. Meine angeborenen Fehler mindern deine Wichtigkeit für mich nicht.«
Lindens Magen verkrampfte sich. An Bord des Riesen-Schiffs Sternfahrers Schatz hatte Findail nicht nur von Kasteness gesprochen. Er hatte auch von der sterblichen Geliebten des verurteilten Elohim erzählt. Diese Frau hatte bei Kasteness offenbar viele Formen von Macht beherrschen gelernt – nur kein Mittel, um ihre Trauer zu stillen. Vor Schmerz verbittert, war sie später die Mutter jener Tänzerinnen der See geworden, die Brinn und Cail verführt hatten. Und wegen dieser Schwäche war Cail von den Haruchai als Versager gebrandmarkt worden. Nachdem das Sonnenfeuer gelöscht war, hatte er das Land in der Hoffnung verlassen, die Tänzerinnen der See wiederzufinden. Er hatte die Leidenschaft und den Bann ihres nie endenden, nie gestillten Begehrens der rauen Härte seines Volkes vorgezogen.
»Das ist keine Antwort«, wehrte Linden ab. Alles an Esmer wies auf tödliche Gefahren hin; sie musste sich vor ihm in Acht nehmen. Und seine gegenwärtige Sanftheit steigerte ihren Zorn nur noch. »Jedenfalls war dein Angriff auf Stave nur Zeitvergeudung. Was wolltest du damit erreichen? Selbst wenn du ihn umgebracht hättest, ist er nur ein einziger Haruchai. Irgendwann wird sein Volk auf dich aufmerksam. Dann hast du auf einmal mehr Feinde, als du zählen kannst. Was sollte das also, verdammt noch mal? Was hat es dir gebracht?«
Warum willst du ausgerechnet jetzt mit mir reden?
Esmer schien zu seufzen, obwohl kein Laut zu hören war. »Ich bin, wozu ich gemacht bin, innerlich zerrissen und im Krieg mit mir selbst.«
Plötzlich setzte er sich neben Staves Kopf auf die Lagerstatt. Die rötliche Glut ließ seine Augen leuchten, als er die schattenhaften Bewegungen der Ramen in den benachbarten Wohnstätten oder ihrer Umgebung beobachtete.
»Erinnerst du dich nicht an die Tänzerinnen der See? Ihr Gesang erweckt in denen, die ihn hören – deren Herzen ungestüm und dafür empfänglich sind –, unendliche Leidenschaft und glühende Liebe, die so feurig ist, dass nicht einmal die Tiefen der Meere sie auslöschen können. Dennoch wird dieses Lied voller Abscheu gesungen, ist von Trauer und dem Wunsch nach Tod genährt. Die Tänzerinnen der See verabscheuen die Liebe, die sie hervorrufen, denn sie selbst sind aus solch ungestillter Sehnsucht geboren. Ihre Natur gewährt ihnen keine Gnade und gestattet ihnen auch keine solche.
In Cail haben sie einen zu ihnen
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