Die Runen der Erde - Covenant 07
Augenblicke lang bewegte sich niemand. Dann bückte Mahrtiir sich plötzlich, packte Bhapa und Pahni am Rücken ihrer Wämser und zog sie hoch. »Auf, Seilträger!«, knurrte er. »Sind wir Memmen, dass wir davor zurückschrecken, unserem Leben einen neuen Sinn zu geben?«
»Gott sei Dank«, murmelte Linden halblaut.
Geh jetzt, Liebste. Solange du kannst.
Sie wusste nicht, wie lange sie den in ihr zunehmenden Druck noch würde beherrschen können.
Als hätte Mahrtiir sie aus einer Trance gerissen, schienen alle Ramen ihr Staunen und ihre Befürchtungen abzuschütteln. Sie sahen sich um, studierten den Himmel und spähten besorgt gen Norden. Einzeln und in kleinen Gruppen traten sie den Rückweg ins Lager an, und bald stand nur noch Hami bei Linden und ihren Gefährten.
»Ring-Than, wir müssen aufbrechen«, sagte die Mähnenhüterin. Da die Entscheidung nun gefallen war, schien sie sich resigniert mit den Folgen abzufinden. »Diesem Sturz, der Zäsur, können wir nicht widerstehen.«
Linden wandte sich ihr zu. »Dann geht, Hami. Bringt euch in Sicherheit. Schützt die Ranyhyn. Ich bin euch für alles dankbar, was ihr für mich getan habt.« Mit einem Lächeln, in dem sie alle Zuversicht bündelte, deren sie habhaft werden konnte, fügte sie hinzu: »Ich komme zurück, wenn ich kann. Schaffe ich es nicht, könnt ihr im Land nach mir Ausschau halten. Ihr werdet immer gebraucht.«
Hamis Blick trübte sich, und sie schluckte trocken, als hätte sie am liebsten mehr gesagt. Stattdessen verbeugte sie sich tief, stumm, nach Art der Ramen. Dann machte sie ruckartig kehrt und trabte hinter ihren Leuten her davon.
Bevor Char ging, sprach er unter vier Augen mit Mahrtiir. Das sah Linden mit Unbehagen, denn sie fürchtete, der Mähnenhüter werde den jungen Seilträger mit verletzenden Worten abweisen. Aber dann sah sie, wie Char seine Garrotte Mahrtiir anbot, und stellte dabei fest, dass Mahrtiir sich bei seinem Versuch, den Lehrenkundigen zu erdrosseln, die Hände verbrannt hatte.
Mahrtiir akzeptierte Chars Seil mit nervösem Anstand. Obwohl seine Finger bestimmt schmerzten, zerzauste er Char das Haar: eine rasche Geste, die Zuneigung bewies. Dann rannte der Seilträger hinter den übrigen Ramen her, und Mahrtiir wandte sich Bhapa und Pahni und den ungeduldig mit den Hufen scharrenden Ranyhyn zu.
Linden, die es jetzt eilig hatte, drehte sich befriedigt nach Liand um.
»Linden«, begann er wie unter Schock stehend, »ich ...«
Sie brachte ihn mit erhobener Hand zum Schweigen. »Liand, ich danke dir. Für alles.« Sie empfand den verzweifelten Drang, endlich aufzubrechen. Trotzdem fügte sie hinzu: »Ich habe Glück gehabt, dass ich dir begegnet bin. Auch wenn du dich dafür entscheidest, mit den Ramen zu gehen, schätze ich mich weiterhin glücklich.«
Ihre Worte bewirkten offenbar, dass Liands Ängste von ihm abfielen. »Du spinnst wohl?«, fragte er grinsend. »Glaubst du, dass ich mir die Gelegenheit entgehen lasse, auf einem Ranyhyn in die Vergangenheit zu reiten? Ich bin allzu lange nur ein Steinhausener gewesen. Hier werde ich mehr, als ich einst war.« Er lachte. »Ich werde Stave und die Meister darüber aufklären, wie fehlgeleitet ihre Herrschaft ist.«
Linden nickte. Was hätte sie sonst tun können? Sie hatte schon allzu oft versucht, ihn davon abzubringen, sie zu begleiten.
Sie hatte es eilig, als sie auf Hyn zutrat und über die Schulter hinweg rief: »Mahrtiir, es wird Zeit! Wir müssen los!«
Ihre Sinne signalisierten ihr die ersten Ausläufer der Zäsur. Würde sie nicht langsamer oder änderte ihren Kurs, würde sie bald für jedermann sichtbar sein.
Mahrtiir kam prompt herüber, um ihr aufsitzen zu helfen, während Bhapa und Pahni den Alten zu dem kleinsten Ranyhyn begleiteten, einem muskulösen Schecken mit feurigem Blick und buschig behaarten Fesseln, den sie Hrama nannten. Linden fürchtete, Anele werde vielleicht nicht reiten wollen; aber irgendeine unterschwellige Interaktion zwischen Hramas Vitalität und seiner eigenen Erdkraft schien ihn zu beruhigen, und er protestierte nicht, als die Seilträger ihn auf den Pferderücken hievten.
Bis Hyn sich nach Norden gewandt hatte, waren Stave und Mahrtiir ebenfalls aufgesessen. Der Mähnenhüter war in Hochstimmung, fast außer sich, und jauchzte vor Vorfreude. Während Bhapa Liand half, mit einem Sprung auf einen Falben namens Rhohm zu gelangen, ritt Stave mit Hynyn gleichmütig an Hyns Seite. Dann sprangen Bhapa und Pahni auf ihre eigenen
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