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Die Runen der Erde - Covenant 07

Die Runen der Erde - Covenant 07

Titel: Die Runen der Erde - Covenant 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Ranyhyn und bildeten hinter Liand und Anele die Nachhut.
    Gleichzeitig änderten die Urbösen ihre Formation. Auf allen vieren laufend verteilten sie sich um die Reiter und bildeten mit dem Lehrenkundigen an der Spitze einen schwarzen Ring. Dabei kläfften sie gemeinsam wie eine ganze Hundemeute. Sobald sie in Position waren, vertauschte der Lehrenkundige sein glühendes Messer mit einer spitzen Eisenstange, die einem Zepter oder einem kurzen Wurfspeer glich. Aus dem Metall strömte eine dunkle Kraft um die Reiter, schien sie mit Vitriol zu umschließen.
    Esmer jedoch war verschwunden. Linden suchte den Nebel rasch ab, nahm aber nirgends mehr eine Spur von ihm wahr. Anscheinend hatte er sich einfach in seine Macht gehüllt und sich in nichts aufgelöst.
    Linden blieb, wo sie war, und starrte ins Halbdunkel hinein. Nach kurzem Aufatmen über Esmers Verschwinden empfand sie neuerlich Übelkeit, als die wirbelnde Unrichtigkeit der Zäsur näher kam. Während sie durch den Regen spähte, begann sie die sichtbaren Umrisse des ›Sturzes‹ zu erkennen.
    Die Zäsur, die sie vom Kevinsblick aus beobachtet hatte, hatte der Aura einer Migräne geglichen: ein Übelkeit erregender Tanz von Phosphenen – Lichtwahrnehmungen, erzeugt durch Halluzinationen, physikalischer Druck auf die Netzhaut, Medikamenteneinflüsse oder elektrische oder magnetische Stimulation der Sehorgane –, die sämtliche Aspekte der Realität ins Chaos zu stürzen schien. Ohne ihren Sinn für das Gesunde hätte Linden glauben können, der Wirbel finde nicht im Gewebe ihrer Existenz, sondern in den Neuronen ihres Gehirns statt. Aber dieser Sturz sah schlimmer aus; stärker. Vielleicht durch den Druck von Esmers Herbeirufung verstärkt, bildete er vor dem grauen Hintergrund aus Regentropfen ein Geheul aus Verzerrung und Wahnsinn.
    Der Anblick erinnerte sie an ewige Verdammnis.
    Lasst fahren alle Hoffnung ...
    Obwohl sie klatschnass war, rief das Böse der Zäsur auf ihrer Haut einen Ausschlag hervor, als seien Feuerameisen in ihre Kleidung geraten.
    »Auserwählte?«, sagte Stave, als würde er ihr Zögern – oder ihre Entschlossenheit – infrage stellen.
    In Lindens Kopf rasten die Gedanken. Waren die Zäsuren tatsächlich Joans Werk, konnte ihr Betreten einer Versetzung in Joans Wahnsinn gleichkommen. Andererseits hatte Linden Joans Qualen schon einmal überstanden. Dennoch: Joan war jetzt stärker. Erst im Land entwickelte Weißgold seine wahre Macht, und Joans Verzweiflung nährte sich aus ihr selbst, nahm unaufhörlich zu.
    Aber auch Linden war stärker geworden. Die Unterstützung durch ihre Begleiter gab ihr ebenso Kraft wie die Heilung durch die Urbösen. Und auch sie besaß einen Weißgoldring. Und als Schüsse sie aus ihrem früheren Leben gerissen hatten, hatte sie nicht gewusst, dass der Verächter ihren Sohn in seine Gewalt bringen würde.
    »Ach, zum Teufel damit!« Linden, deren Angst jetzt Frustration und metaphysische Gänsehaut übertraf, zog Covenants Ring heraus. Indem sie den kalten Kreis mit einer Faust umklammerte, murmelte sie: »Also, los jetzt!«
    Der Lehrenkundige hörte sie und verstand ihre Absicht; schritt nun mit hoch erhobenem Zepter durchs regennasse Gras voran. Linden berührte Hyns Flanken grimmig mit den Hacken. Die Stute erzitterte, aber sie setzte sich gehorsam in Bewegung, reihte sich ein in den Strom der Wesen – Ranyhyn, Ramen, Haruchai und Menschen –, die in der schützenden Theurgie der Urbösen vorwärts strebten.
    Der Singsang der schwarzen Wesen wurde lauter, und die Ranyhyn steigerten allmählich ihr Tempo, um mit dem Rhythmus der Anrufung Schritt zu halten.
    Regentropfen spritzten Linden unter ihrer Kapuze in die Augen. Die Zäsur glich jetzt einem gewaltigen Hornissenschwarm; die in den Wirbeln steckende Energie lähmte ihre Sinne: Sie schien in ihrer Raserei den gesamten Norden zu verschlucken. Linden wunderte sich nicht mehr darüber, dass der Kevinsblick eingestürzt war. Das eigentliche Wunder war, dass irgendein Aspekt der lebenden Welt das von einer Zäsur verkörperte Böse ertragen können sollte.
    Anele hatte es getan. Damals hatte ihn seine angeborene Erdkraft geschützt, und sie würde es auch heute wieder tun. Aber der Rest ihrer Gruppe würde auf die Dämondim-Brut vertrauen müssen – und auf Lindens ungewisse Fähigkeit, wilde Magie einzusetzen.
    Mit Stave und Mahrtiir an ihrer Seite hielt sie Covenants Ring umklammert und folgte den Urbösen in kurzem Galopp in das Brausen des Sturzes.

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