Die Runen der Erde - Covenant 07
sagte er mit Covenants vertrauter Stimme, aber leise, ganz leise, damit nur sie ihn hören konnte: »Geh jetzt, Liebste. Solange du kannst. Nimm dich nur vor mir in Acht. Denk daran, dass ich tot bin.«
Hütet euch vor Halbhand.
Sie starrte den Alten an und war zu überrascht – und zu gänzlich verwandelt –, um reagieren zu können. Irgendein Teil ihres Ichs wollte aufschreien, aber ihr Herz fand keine Worte.
Dann verschwand das Licht der Besessenheit schlagartig von Aneles Gesicht, als plötzlich der Lehrenkundige zwischen sie trat. Bevor Linden protestieren konnte, benutzte der Urböse seine glühende Klinge, um dem Alten im Fleisch seines hageren Unterarms einen kleinen Schnitt beizubringen. Dann bedeckte das feucht schnüffelnde Wesen die Wunde mit seinem Mund und begann sie auszusaugen.
Mit ihrem Wissen werden sie die Verwirrung des Verrückten durchdringen ...
Anele ließ über sich ergehen, was der Lehrenkundige machte, ohne zu protestieren oder sich dagegen zu wehren; er schien es nicht einmal wahrzunehmen. Covenants kurze Anwesenheit musste ihn beruhigt haben. Noch vor wenigen Tagen hatte er verzweifelt ausgerufen: Wesen zwingen Anele dazu, sich zu erinnern!
Hatten die Urbösen selbst nach dem Stab des Gesetzes geforscht? Aber zu welchem Zweck?
Erst als der Lehrenkundige mit dem Alten fertig war und zurücktrat, merkte Linden, dass die Ranyhyn unruhig geworden waren. Die Pferde waren gemeinsam angekommen, wie sie sich vorgestellt hatte, dass sie zu Elenas Rösserritual in das Hochtal galoppiert waren. Aber jetzt hatten sie sich getrennt, scharrten zwischen den Ramen mit den Hufen und schüttelten die Mähnen. Hyn kam zielbewusst auf Linden zu; Hynyn näherte sich Stave. Die anderen bauten sich vor Anele und Liand, vor Mahrtiir und seinen Seilträgern auf. Die drei Ramen waren vor Verwunderung sprachlos, als die Pferde mit Sternen auf der Stirn sie zum Aufsitzen nötigten, und die Menge wich wie ein Mann zurück. Stimmen erhoben sich im Regen: erstauntes Flüstern; leise Protestrufe. Hami machte große Augen und wurde blass, als hätte ihr hitziger Stolz sich in Sorge verwandelt.
Mahrtiir, Pahni und Bhapa, die nicht nur auf die Ranyhyn, sondern auch auf ihr Volk reagierten, warfen sich sofort wie Bittsteller ins nasse Gras. Sie fürchteten anscheinend, was jetzt bevorstehe, werde die Grundfesten aller Traditionen der Ramen erschüttern, ihnen vielleicht sogar den Lebenszweck rauben. Kein Ramen hatte jemals ein Ranyhyn geritten ... andererseits hatte sich noch nie ein Ramen dem Willen der großen Pferde widersetzt. Im allgemeinen Stimmengewirr schnaubten die Ranyhyn, was wie gutmütiger Spott klang, während sie den Kopf senkten, um die drei ausgestreckt Daliegenden anzustupsen.
Linden beobachtete Mahrtiir, Bhapa und Pahni gespannt und fürchtete, keiner der drei werde sich bewegen; sie fürchtete, die Zäsur werde heran sein, bevor die Ramen sich neu definieren konnten. Aber dann schüttelte sich der Mähnenhüter, als nehme er seinen ganzen Mut zusammen, und rappelte sich unsicher auf. Seine Stimme zitterte wie zuvor Lindens, als er verkündete: »Der Wille der Ranyhyn ist eindeutig. Wir können der Ring-Than – oder dem Land – nicht dienen, wenn wir nicht reiten.«
Die Pferde antworteten, indem sie schallend laut zustimmend wieherten.
»Das hat noch kein Ramen jemals getan«, wandte Hami mit dünner Stimme ein.
»Und kein Ranyhyn«, erwiderte Mahrtiir, dessen Stimme kräftiger wurde, »hat sich jemals erboten, einen Ramen zu tragen.«
Trotzdem blieben Bhapa und Pahni liegen. Wie die anderen Ramen waren sie von einem Widerspruch gelähmt, den sie nicht auflösen konnten. Im Hintergrund kommentierten Esmer und die Urbösen das Geschehen mit halblautem Blaffen.
»Dann soll ihr Wille geschehen«, sagte eine neue Stimme, und Linden sah, dass Mähnenhüter Dohn in die erste Reihe der Menge getreten war. Seine Jahre und seine Narben verliehen ihm unzweifelhafte Autorität. Er sprach nicht laut, aber seine Worte schienen durch den Regen bis in die Zukunft zu hallen. »Die Ranyhyn und ihre Ramen sind schon zu lange von den Ebenen von Ra verbannt. Im Exil haben wir beschlossen, niemals mehr zuzulassen, dass Fangzahn sich an den Ranyhyn vergreift. Dieses Versprechen haben wir gehalten. Aber jetzt schwant mir Böses. Ich fürchte, dass die Endzeit des Landes bevorsteht. Nutzen wir diese Gelegenheit nicht, einen Schlag gegen den Reißer zu führen, bleiben wir auf ewig heimatlos.«
Einige
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