Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Runen der Erde - Covenant 07

Die Runen der Erde - Covenant 07

Titel: Die Runen der Erde - Covenant 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
Vom Netzwerk:
dann würde sie Jeremiah einfach wieder nach Hause bringen, ohne dass irgendein Schaden entstanden war.
    Getrieben von der Furcht um Jeremiah spann sie ihre Fluchtpläne weiter, doch schließlich hielt sie in ihrem Planen inne. Ihr Verhalten erfüllte sie mit Scham. Sie hatte die Notwendigkeit, mutig zu sein, von den strengsten Lehrmeistern gelernt. Liebe und Schönheit ließen sich nicht durch Panik oder Flucht bewahren.
    Dass Jeremiahs Hand verstümmelt war, war in gewisser Beziehung ihre Schuld, und sie glaubte nicht, dass sie es ertragen könnte, ihn nochmals verletzt zu sehen. Aber er war nicht der Einzige, der in jener Nacht verstümmelt worden war. Und Thomas Covenant war aus demselben Grund gestorben: weil sie nicht eingegriffen hatte. Als sie gesehen hatte, was mit ihm geschah, war sie vor Entsetzen starr, wie gelähmt gewesen. In namenloser Angst hatte sie einfach zugesehen, wie Covenant um Joans willen gelächelt hatte, während Männer und Frauen und Kinder der Arglist des Verächters ihre Hände geopfert hatten; während die Schranken zwischen Realitäten durch Blut und Schmerz eingerissen worden waren. Heute wusste sie, dass das Böse jener Nacht sich hätte verhindern lassen können. Als sie endlich ihre Verzweiflung abgeschüttelt hatte und vorwärts, in Richtung Feuer losgestürmt war, war Lord Fouls Macht über seine Opfer zerbrochen. Hätte sie früher gehandelt, hätte das Blutbad jener Nacht sich vielleicht verhindern lassen. Vielleicht wäre sogar das Land verschont geblieben. Flüchtete sie jetzt, war niemand mehr da, der sich zwischen den Verächter und weitere Opfer stellen konnte. Entschieden schüttelte sie den Kopf. Sie würde sich nicht noch mal von ihren Ängsten beherrschen lassen. Niemals wieder. Selbst wenn Roger Covenant sie noch so sehr provozierte. Dennoch drehten sich ihre Gedanken letztendlich im Kreis. Sollte sie um Jeremiahs willen flüchten? Oder um ihrer selbst, um Joans und des Landes willen bleiben? In ihrer Unschlüssigkeit gefangen, fand sie sich auf der Bettkante sitzend wieder – mit vor das Gesicht geschlagenen Händen und Thomas Covenants Namen auf den Lippen –, während sie mit aller Macht lauschte, ob sie etwas hörte, das von Gefahr kündete.
    Doch sie hörte nichts dergleichen; nur das ferne Murmeln von Sandys Stimme drang gelegentlich an ihr Ohr. Draußen fuhr ab und zu ein Auto vorbei. Launenhafte Windstöße, die um die Dachtraufen des Hauses heulten, kündigten einen sich zusammenbrauenden Sturm an. Aber da war nichts, was Lindens wachsende Besorgnis hätte rechtfertigen können.
    Seufzend nahm sie sich vor, morgen früh erneut zu versuchen, sich Lyttons Unterstützung zu sichern. Vielleicht gelang es ja Megan, ihn umzustimmen. Heute Nacht jedenfalls würde sie Jeremiah mit ihrer ganzen Wachsamkeit beschützen und nicht zulassen, dass ihm ein Leid geschah.
    Unterdessen war er vermutlich mit dem Donnerberg fertig und hatte angefangen, Schwelgenstein abzubauen. Nichts in seinem Verhalten hatte den Schluss zugelassen, dass der Gravin Threndor und Herrenhöh ihm irgendetwas bedeuteten. Soviel sie beurteilen konnte, hatte sein Leben sich nicht im Geringsten verändert, obwohl das Land auf unerklärliche Weise seinen verlorenen Verstand in Besitz genommen hatte. So verbrachte er seit Jahren seine gesamte Zeit: Er baute Dinge zusammen und nahm sie wieder auseinander. Tatsächlich schien er außerstande zu sein, irgendwelche Beziehungen aufzubauen – außer zu Gegenständen, die sich miteinander verbinden ließen. Kein menschliches Wesen störte seine Aufmerksamkeit; er reagierte nicht auf seinen Namen. War er nicht damit beschäftigt, eines seiner Gebilde zu bauen, kniete er einfach mit nach außen gedrehten Füßen und vor der Brust verschränkten Armen da und wiegte sich beruhigend vor und zurück. Er ging nur, wenn man ihn auf die Füße stellte und an der Hand führte. Selbst Tiere schafften es nicht, seinen schlammigen Blick zu fokussieren.
    Stellte man ihm jedoch Legosteine, Holzsteckspielzeug wie Lincoln Logs oder Tinker Toys, einen Metallbaukasten oder irgendwelche anderen Gegenstände ohne Antrieb hin, die sich in andere Gegenstände ohne Antrieb stecken oder mit ihnen verbinden ließen, erwies er sich als Genie. Das Schloss in der Diele und die Modelle des Donnerbergs und Schwelgensteins im Wohnzimmer waren nur die heutigen Proben seiner speziellen Begabung. Zu Hunderten, zu Tausenden, zwanghaft, baute er Strukturen von solcher Eleganz und solchem

Weitere Kostenlose Bücher