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Die Runen der Erde - Covenant 07

Die Runen der Erde - Covenant 07

Titel: Die Runen der Erde - Covenant 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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veranlasst hatte, den Donnerberg und Schwelgenstein nachzubilden, ihm keinen erkennbaren Schmerz zugefügt hatte, stand sie wieder auf und wandte sich Sandy zu.
    Sandy Eastwall war eine junge Frau Ende zwanzig, die noch bei ihren Eltern lebte und damit anscheinend zufrieden war. Sie hatte nach der Highschool eine Ausbildung als Krankenschwester gemacht, war aber seit nunmehr sieben Jahren Jeremiahs Betreuerin und ließ keinen Ehrgeiz erkennen, sich beruflich zu verändern. Statt für mehrere Patienten nur für einen Schützling verantwortlich zu sein, der nie wechselte, schien ihren Gefühlsbedürfnissen und ihrer Warmherzigkeit, aber auch ihrer natürlichen Trägheit am besten zu entsprechen. Obwohl Sam Diadems Sohn seit Jahren ihr fester Freund war, ließ sie keinen besonderen Drang erkennen, in den Hafen der Ehe einzulaufen. Soweit Linden es beurteilen konnte, war Sandy die Vorstellung angenehm, Jeremiah für den Rest ihres Lebens zu betreuen. Diese außergewöhnliche Einstellung nahm auf Lindens Liste von Gründen, dankbar zu sein, einen Spitzenplatz ein.
    »Wenn es dir nichts ausmacht«, sagte sie, um die von Sandy angebotene Hilfe anzunehmen, »könntest du vielleicht noch bleiben, bis er seine Legosteine aufgeräumt hat. Ich habe etwas Dringendes zu erledigen.« Dann fügte sie hinzu: »Die Tinker Toys können vorerst bleiben. Dieses Schloss gefällt mir. Und es ist nicht im Weg.«
    »Klar«, antwortete Sandy mit einem sanften Lächeln. »Das tue ich gem.
    Komm, Jeremiah«, sagte sie zu dem knienden Jungen. »Es wird Zeit, deine Legosteine aufzuräumen. Pass auf, ich fange schon mal an.«
    Sie ging in die Hocke, griff nach einem der vielen entlang der Wand aufgestapelten Kartons und stellte ihn neben die Ausläufer des Donnerbergs. Dann löste sie einen Legostein von dem Gebilde und legte ihn in den Karton.
    Mehr brauchte sie nicht zu tun, damit Jeremiahs verborgenes Bewusstsein ansprach. Er gab sofort seine kniende Haltung auf und ging, ihrem Beispiel folgend, neben dem Karton in die Hocke. Mit derselben zielbewussten Akribie, mit der er seine Gebilde konstruierte, machte er sich daran, den Donnerberg abzubauen und die weggenommenen Legosteine in kompakten Reihen in dem Karton zu stapeln. Linden hatte schon viele Stunden damit verbracht, ihm zuzusehen, während er solche Dinge tat. Jeremiah bewegte sich nie hastig, schien niemals Eile oder nervöse Anspannung zu empfinden – und machte nie eine nachdenkliche oder zweifelnde Pause. Sie selbst hätte vermutlich zwei bis drei Stunden gebraucht, um so viele Legosteine aufzuräumen – oder so präzise zu stapeln –, aber er bewegte sich so effizient und gebrauchte die verkrüppelte Hand ebenso geschickt wie die gesunde, so dass sein Donnerberg vor ihren Augen zu schmelzen schien. Er würde vermutlich in einer Dreiviertelstunde fertig sein.
    Weil sie das Bedürfnis hatte, mit ihm zu sprechen, seinen Namen auszusprechen, sagte sie: »Danke, Jeremiah. Mit den Legosteinen bist du wirklich gut. Mir gefällt alles, was du damit baust. Und mir gefällt, wie du sie aufräumst, wenn es Zeit ist.« Dann machte sie abrupt kehrt und verließ den Raum, damit Sandy nicht die plötzlich in ihren Augen stehenden Tränen sah oder merkte, dass sie vor Liebe und Angst einen Kloß im Hals hatte.
    Während Jeremiah den Donnerberg zerlegte und Sandy weiterstrickte, ging Linden nach oben, um ihre Furcht zu meistern.
    Er bedroht meinen Sohn.
    Sie hatte sich einzureden versucht, ihnen drohe keine Gefahr, solange nicht der Alte in dem ockergelben Gewand erschien, um sie zu warnen. Aber jetzt vertraute sie nicht mehr darauf.
     
    *
     
    Allein in ihrem Schlafzimmer fragte sie sich erstmals, ob sie fliehen sollte. Derlei wäre trotz ihrer Verpflichtungen möglich gewesen; die notwendigen Abmachungen hätten sich mit ein paar Telefongesprächen treffen lassen. In ein bis zwei Stunden konnte sie gepackt haben und wegfahren, um Jeremiah aus dem Gefahrenbereich zu bringen. Tatsächlich konnte sie sogar erst telefonieren, wenn sie weit genug gefahren war, um vor allen denkbaren Gefahren sicher zu sein.
    Lord Foul bedrohte ihren Sohn.
    Roger Covenant hatte keine Ahnung, dass Jeremiah existierte. Trotzdem konnte es kein Zufall sein, dass Jeremiah den Donnerberg und Schwelgenstein ausgerechnet an dem Tag nachgebaut hatte, an dem Roger die Entlassung seiner Mutter gefordert hatte.
    Und was war, wenn sie unrecht hatte? Wenn Roger sich als so harmlos erwies, wie Barton Lytton ihn einschätzte? Nun,

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