Die Runen der Erde - Covenant 07
» Halt! Bis hierher und nicht weiter!«
Ihr unerwarteter Anruf stürzte die Dämondim in Verwirrung. Linden wusste nicht, ob die Geschöpfe sie verstanden, aber das war auch egal. Sie wussten genug von alten Lehren, um den Stab des Gesetzes zu erkennen. Und sie hatten bereits die Gegenwart von Covenants Ring verspürt. Die vordersten Dämondim machten augenblicklich halt und blockierten so den Vormarsch der finsteren Gestalten hinter ihnen. Schimmernde Kraft brodelte und schäumte durchsichtig wie Luft und zerstörerisch wie Magma und verbreitete Schwärze, die flüchtigen Blicken ins Herz der Verlorenen Tiefe glich. Undeutliche Formen dampften schwarz, während zwischen ihnen Smaragdgrün hervorbrechen wollte.
Sie konnten nicht wissen, dass Linden bluffte ...
Oder vielleicht wussten sie es doch. Vielleicht würden sie erkennen, dass Linden zu menschlich und zu schwach war, um ihre beiden Kräfte gleichzeitig kontrollieren zu können. Sie brauchten nur einige wenige Herzschläge, um ihre Unsicherheit zu überwinden und den wilden Ansturm fortzusetzen.
Trotzdem hatten sie Linden dadurch genug Zeit verschafft. Als die Horde kurz innehielt, setzte Linden in Gedanken über sie hinweg, um sich die Zäsur vorzunehmen.
Diesen Riss im Gewebe von Ursache und Wirkung hatte sie selbst erzeugt. Und sie hatte erst vor kurzem mitten in seinem Chaos gesteckt. Sie kannte die Zäsur genau. Von ihrer Wahrnehmungsgabe geleitet, hob sie den Stab und schickte sein heißes Feuer über die Köpfe der Dämondim hinweg mitten in den brodelnden Kern der Zäsur.
Aus dem mit Eisen beschlagenen Ende des Stabes schoss eine Flamme, deren sattes Gelb an Sonnenblumen und reifen Mais erinnerte, und bildete in stetigem Strom einen Lichtbogen. Die Zäsur war riesig, und sie hatte sich von Jahrtausenden vereinzelter Augenblicke genährt. Aber der Stab des Gesetzes konnte auf das unerschöpfliche Reservoir aus Erdkraft zurückgreifen, die das Land definierte. Tatsächlich waren seine Möglichkeiten nur durch die Fähigkeiten seines Trägers beschränkt. Und Linden hatte schon das Sonnenübel besiegt. Das Böse, das sie jetzt vor sich hatte, war ungeheuer gefräßig. Trotzdem war es im Vergleich zum Sonnenübel eher unbedeutend.
Die durch die Vitalität des Stabes direkt herausgeforderte Zäsur brach rasch zusammen. Einen Augenblick lang erhob sie sich noch höher, schrie zum Himmel auf. Dann fiel sie mit einem Donnerschlag in sich selbst zusammen und saugte die eigene Bösartigkeit in sich ein, bis sie wie eine ausgeblasene Kerze erlosch. Sie war schneller verschwunden, als Linden je für möglich gehalten hätte, und ließ sie mit einem warmen Holzstab zurück, der ruhig und still in ihrer Hand lag. Stave und Mahrtiir standen abwehrbereit neben ihr, und um sie herum erfüllten süße Düfte die Luft: die Gerüche von Wiesen im Sonnenschein, von Mulden mit Wildblumen, an denen noch Tau haftete, und von Bäumen in jungem Laub.
Linden, die nicht mehr wusste, was sie tat, sank auf die Knie. Indem sie den Stab eingesetzt hatte, hatte sie ihre eigene Substanz aufgebraucht. Ihre Entschlossenheit war verflogen, und selbst der Erdboden unter ihr fühlte sich nicht länger notwendig oder unmittelbar wichtig an. Und alles um sie herum war stumm.
Stumm stürzten die Dämondim sich auf sie. Aus der Ferne rief Liand ihren Namen, als hätte er nie aufgehört, ihn zu rufen.
Dann war plötzlich Stave bei ihr. Er riss sie hoch, warf sie schwungvoll auf Hyns Rücken. Gleichzeitig sprang Mahrtiir mit einem Satz auf sein Pferd, und die beiden Ranyhyn verfielen sofort in Galopp, flüchteten vor der Horde. Hinter ihnen folgte Stave auf Hynyn. Und Linden, die krampfhaft den Stab des Gesetzes umklammert hielt und Mühe hatte, ihr Gleichgewicht zu bewahren, kehrte langsam zu sich selbst zurück.
Dann schlossen Liand und Pahni zu ihr auf. Die fünf Pferde, deren Hufe den harten Boden erzittern ließen, bemühten sich in eng geschlossener Gruppe, ihren Vorsprung vor den Dämondim zu vergrößern.
Anfangs nahm Linden ihre Gefährten kaum wahr. Eine Zeit lang wusste sie kaum, wer sie selbst war. Sie fühlte sich von Notwendigkeiten getrieben, die sie nicht länger erkannte oder verstand. Allmählich erreichte die Dringlichkeit der anderen sie jedoch wieder. Während ihr noch schwindelte, sah sie sich nach ihren Gefährten um. Stave und Liand waren unverletzt; sie hatten nicht gegen Dämondim gekämpft. Aber Mahrtiir hatte Verbrennungen an den Beinen, blutende Geschwüre
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