Die Runen der Erde - Covenant 07
seine Bewacher wehrte. »Linden Avery! Beschütze Anele!«
Handir reihte sich mit ausdrucksloser Miene in die Barriere ein. Die Fackeln warfen rätselhafte Schatten über sein Gesicht. Neben Hyns Kopf stand Galt, als könnte seine bloße Gegenwart die Stute zügeln.
Mahrtiir, dem Pahni und Liand dichtauf folgten, schloss rasch zu Linden auf. Wie Linden war auch der Steinhausener noch nicht abgestiegen; Besorgnis und Entschlossenheit machten sein Gesicht maskenhaft starr.
»Der alte Mann gehört uns«, verkündete Handir. Das hatte auch Stave gesagt, als sie Anele nach dem Einsturz des Kevinsblicks erstmals gefangen genommen hatten. »Wir gestatten nicht, dass solche Wesen frei herumlaufen.«
»Verdammt noch mal!«, fauchte Linden. »Nicht schon wieder! Hat Stave nicht mit euch geredet? Lernt ihr denn nie dazu?«
Anele, der sich keuchend wand, ohne sich befreien zu können, hörte plötzlich auf, sich zu wehren. Seine blinden Augen schienen Linden vorwurfsvoll anzustarren. Linden bezweifelte nicht, dass Hyn und Rhohm die Menschenmauer hätten durchbrechen können. Kein Haruchai würde eine Hand gegen die Ranyhyn erheben. Aber obwohl Handir sie willkommen geheißen hatte, brauchte diese Nachsicht sich nicht auf Liand und sie – oder die Ramen – zu erstrecken.
»Natürlich«, fuhr Linden fort, »steckt er voller Erdkraft. Das gilt auch für die Ranyhyn. Er kann Dinge tun, die andere nicht schaffen. Das können auch sie. Aber deshalb sind sie noch lange nicht gefährlich. Seine Kraft ist nichts, was er gebraucht. Sie ist etwas, das er ist. Hat Stave euch nicht gesagt, dass Anele das Land ebenso liebt wie ihr? Dass er nichts anderes will, als sich nützlich zu machen?« Das hilflose Starren des Alten griff ihr an das Herz. »Bevor er irgendeine Art Wiedergutmachung geleistet hat, kann er sich nicht verzeihen, dass er den Stab verloren hat. Deswegen leidet er so sehr darunter, gefangen zu sein. Er kann nichts tun, um dem Land zu helfen, wenn ihr ihn wegsperrt.«
Handir zuckte kaum merklich mit den Schultern. »Trotzdem lässt seine angeborene Erdkraft sich nicht beiseite schieben. Ihretwegen dienen seine Taten unabhängig von seinem eigenen Wollen dem Verderber. Und deshalb werden wir ihn nicht freilassen.«
Linden drehte sich um und suchte die Vorhalle mit den Augen nach Stave ab. Sie hatte ihn geheilt. Mehr als nur einmal ... Er konnte sich für Anele verbürgen.
Sie entdeckte ihn, als er langsam auf sie zukam. Wegen seiner Verletzungen war er erbärmlich schwach, trotzdem hielt er den Kopf stolz erhoben, als sei er bereit, jeder Herausforderung zu begegnen.
»Stave«, drängte sie ihn, »du musst es ihnen sagen. Du hast Aneles Geschichte gehört. Du weißt, was er durchgemacht hat. Du hast gesehen, was er kann. Erzähl es ihnen!«
Wie als Antwort darauf schlurfte Stave an Linden vorbei, um sich in die Barrikade zwischen ihr und dem Alten einzureihen. Dort angekommen, sah er zu ihr auf. »Auserwählte«, sagte er mit schwacher Stimme, »auch du scheinst nichts dazuzulernen. Du hast mich abermals durch deine Heilkunst beschämt. Und ich habe dir gestattet, mich von der Last meines Versagens zu befreien. Glaubst du, dass mein Volk nun auf irgendetwas hören würde, das ich vorbringen könnte? Anele geschieht kein Leid. Darauf geben die Haruchai dir ihr Wort. Es gibt also nichts zu befürchten.«
Aber ich habe es ihm versprochen!, hätte Linden am liebsten ausgerufen. Trotzdem wusste sie, dass sie den Meister nicht würde umstimmen können. Keiner von ihnen würde sich umstimmen lassen.
Linden war kurz davor, aus Frustration die Fassung zu verlieren. »Ich kann dich daran hindern«, zischte sie Handir an. »Du weißt, dass ich es kann.«
Der Meister schüttelte den Kopf, erwiderte unerschrocken ihren Blick. »Du verfügst über große Macht. Aber zweifelst du wirklich daran, dass wir obsiegen würden, wenn wir es für notwendig hielten, sie dir zu entreißen?«
Vielleicht, so überlegte Linden, konnte Handir in ihr Herz sehen. Dann wusste er, dass sie ihn niemals angreifen würde.
»Linden ...« Der Steinhausener beugte sich auf Rhohm sitzend zu ihr hinüber und legte ihr wie bittend eine Hand auf den Arm. »Sie haben uns Nahrung und Ruhe angeboten, die wir dringend brauchen. Viele von ihnen sind gefallen, um unseren Rückzug zu decken. Und sie haben geschworen, Anele kein Leid anzutun. Wäre es nicht besser, ihnen ihren Willen zu lassen, bis wir morgen früh wieder von ihm sprechen können?«
Wenn wir
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