Die Runen der Erde - Covenant 07
dann noch leben, dachte Linden erbittert. Wenn die Dämondim bis dahin nicht Schwelgenstein verwüstet haben.
Mahrtiir knurrte etwas, ohne jedoch laut zu protestieren.
Anele hing hilflos im Griff der Meister, und sein Keuchen klang wie ein Schluchzen.
Linden sah nicht zu Liand hinüber. Stattdessen funkelte sie Handir an, der ihren Blick ausdruckslos erwiderte.
»Er hat schreckliche Angst vor euch. Aus gutem Grund, wie sich jetzt zeigt. Krümmt ihr dem armen alten Kerl auch nur ein einziges Haar ... Tut ihr das, weiß ich, auf wessen Seite ihr in Wirklichkeit steht.«
Bevor Handir antworten konnte, ließ sie Hyn wenden und ritt quer durch die Vorhalle davon, weil sie den Vorwurf in Aneles blindem Blick nicht länger ertragen konnte.
*
Kurze Zeit später, noch immer vor Wut kochend, betrat Linden die für sie vorbereiteten Gemächer und machte Galt die Tür vor der Nase zu; knallte sie ihm beinahe ins Gesicht. Er war der einzige anwesende Meister, und ihr Zorn brauchte irgendein Ventil. Sie hatte noch gesehen, wie die Ranyhyn, denen die Dämondim-Brut folgte, von den Ramen begleitet fortgeführt wurden. Sie hatte beobachtet, wie Anele so behutsam, wie es sein schwacher Widerstand gestattete, aus der Vorhalle eskortiert wurde. Und sie hatte sich mit einem Nicken vorläufig von Liand verabschiedet, als einer der Meister ihn von ihr weggedrängt hatte. Jetzt war sie mit ihrem Zorn und ihrer Angst allein.
Anele hatte schon Schlimmeres überlebt, als von den Meistern inhaftiert zu werden. Körperlich würde ihm nichts fehlen. Aber seine Verzweiflung konnte für seinen beschädigten Geist zu groß werden.
Außerdem hatten die meisten Urbösen und Wegwahrer ihretwegen den Tod gefunden. Eine erschreckend hohe Zahl von Haruchai war abgeschlachtet worden. Schwelgenstein wurde belagert – und würde bald fallen. Trotz aller Anstrengungen war es ihr nicht gelungen, Staves Unterstützung zu gewinnen. Sie hatte die Zerstörung des Bogens der Zeit riskiert, um sich den Stab zurückzuholen; aber sie hatte noch nichts zur Rettung Jeremiahs unternommen.
Sie war allein, weil sie das Bedürfnis danach hatte. Sie wusste nicht, wie sie ihr Gefühl, alles sei sinnlos, sonst hätte ertragen sollen.
Wo ihre Gemächer innerhalb der weitläufigen Feste lagen, wusste sie nicht. Ihre flüchtige Kenntnis von Schwelgenstein nützte ihr nichts, weil die meisten Gänge und Treppen unbeleuchtet waren. Tatsächlich schienen nur noch wenige regelmäßig benutzt zu werden. Mehr als einmal hatten ihre Stiefel Staub von den Steinplatten aufgewirbelt. Einige Male hatte Galt sie durch Nester aus abgestandener Luft geführt, und sie waren unterwegs niemandem begegnet. Trotzdem kündeten ihre Gemächer von fürsorglicher Gastfreundschaft. Die Räume waren sauber und gut gelüftet, auf Tischchen und in Wandhalterungen brannten Öllampen, und in der Luft hing schwacher Seifengeruch. Raue Webteppiche bedeckten die polierten Granitböden und schmückten die sonst kahlen Wände wie Gobelins; und als Linden die Tür schloss und den Riegel vorschob, schien der alte Stein sie von der übrigen Feste zu isolieren, vor den Meistern und jeglicher Gefahr zu schützen.
Hier war sie sicher – zumindest vorläufig – und konnte ruhen.
Sie hatte drei Räume, eine kompakte Suite. Vom Korridor aus war sie in einen Raum mit einigen Steinsesseln, einem niedrigen Esstisch und einem offenen Kamin mit reichlich Holz gelangt; dahinter lag ein Schlafzimmer, das bis auf ein schmales Bett, einen großen Teppich und ein Fenster mit geschlossenen Läden leer war. Und wieder dahinter entdeckte sie ein Bad mit einem Waschbecken, einer primitiven Toilette, einer kleinen Wanne, einem Steingefäß mit feinem Scheuersand und einem System aus einfachen Absperrhähnen, aus denen sich Ströme von Wasser ergossen, wenn man sie öffnete. Auf einem Tischchen in der Ecke lag ein Stapel sorgfältig zusammengelegter großer Flachstücher.
Bei dem Gedanken an ein Bad begann sie zu zittern.
Eine natürliche Reaktion, sagte Linden sich. Sie hatte tagelang unter mehr Stress gestanden, als sie eigentlich bewältigen konnte; jetzt hatte sie Räume zugewiesen bekommen, in denen sie sich sicher fühlte, auch wenn sie durch Belagerung und Verrat gefährdet waren. Hier konnte sie endlich die Tage voller Schmutz und Hektik abspülen. Mit dem Stab des Gesetzes neben sich würde sie vielleicht sogar schlafen können.
In der kühlen Luft fröstelnd, kehrte sie in den Wohnraum zurück, wo sie
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