Die Runen der Erde - Covenant 07
genäht ist, ist unverkennbar«, bemerkte er höflich. »Die Dankbarkeit ist jedoch weniger klar, wenn ich das sagen darf, ohne dich zu kränken. Willst du uns nicht davon erzählen, damit wir dein Gewand besser würdigen können?«
Die Mahdoubt wandte sich ihm mit in die Hüften gestemmten Fäusten zu. »Törichter Junge, du darfst die Mahdoubt nicht so hänseln.« Aus ihrem Tonfall sprach spöttische Belustigung. »Für Kleidungsfragen sind wir Frauen zuständig, auch wenn ihr uns zu schmeicheln versucht. Die Lady versteht, dass hier Dankbarkeit im Spiel war. Und tut sie es nicht ...« Ihr blaues Auge sah rasch zu Linden hinüber. »... wird sie es noch verstehen lernen. Oh, sicherlich! Das ist so sicher wie der Auf- und Untergang der Sonne.«
Sie ging zur Tür, noch ehe Liand antworten konnte. »Ihr müsst essen. Und dann müsst ihr schlafen. Sicherlich. Ihr braucht beides dringend. Die Mahdoubt holt jetzt ein zweites Tablett.«
Damit hastete sie hinaus, als seien ihre Bewegungen so unaufhaltsam wie Gezeiten.
Als die Tür sich hinter ihr schloss, begegnete Liand Lindens Blick mit verblüfftem Lächeln. »Eine überraschende Frau«, sagte er verwirrt. »Ich sollte ihr gegenüber vermutlich misstrauisch sein, aber stattdessen empfinde ich nur Zuneigung. Sie hat mich getröstet, Linden.« Er seufzte. »Das verstehe ich nicht.«
Sie runzelte die Stirn. »Das lässt einen Kevins Schmutz erst recht verfluchen, nicht wahr?« Wegen ihrer schwindenden Wahrnehmungsgabe hatte sie das Gefühl gehabt, nicht tief in die Mahdoubt hineinsehen zu können.
Liand verzog den Mund zu einem raschen Grinsen. »Sicherlich.« Aber sein Humor verflachte rasch wieder. »Du hast natürlich recht. Der Verlust meiner Sinne ist bitter für mich. Bevor wir durchs Gebirge gezogen sind und das Land vor meinen Augen wiedergeboren wurde, wusste ich nicht, was Böses ist. Unterdessen weiß ich es genau.« Traurigkeit verfinsterte seinen Blick, als er fortfuhr. »Zweifellos sind die Stürze – Zäsuren – ein großes Übel. Trotzdem halte ich sie für fast harmlos im Vergleich zu den Entbehrungen, die Kevins Schmutz uns auferlegt. Er hat verhindert, dass die Menschen meines Heimatdorfs, vielleicht des ganzen Landes, den Sinn ihres Lebens erkennen.«
Die Trauer in seinen Worten rührte Linden. »Vielleicht kann ich dagegen etwas tun«, sagte sie grimmig. »Schließlich ist dies der Stab des Gesetzes!« Sie ließ seine beruhigende Klarheit dicht an ihrem Herzen ruhen. »Sobald ich etwas geschlafen habe ...« Und eine Kleinigkeit gegessen habe. »... werde ich feststellen, wie stark Kevins Schmutz wirklich ist.«
Liand antwortete mit einem Grinsen, aus dem finstere Vorfreude sprach. In der kurzen Zeit, seit sie ihn kannte, war er ein Mann geworden, der kämpfen wollte: Obwohl er keine Macht besaß und nicht hoffen konnte, gegen Lord Foul bestehen zu können, wollte er Schläge zur Verteidigung des Landes führen. Die in Liand vorgegangene Veränderung beeinflusste Linden ebenso wie die seltsame Aura der Mahdoubt. Sie hatte sich von Anfang an auf seinen Schutz verlassen. Und jetzt sehnte sie sich ihrerseits danach, ihn zu beschützen. Aber sie wusste nicht, wie ihr das gelingen sollte.
*
Liand und sie teilten sich schweigend das Essen auf dem Tablett der Mahdoubt. Sein Redebedürfnis war fast mit Händen zu greifen, aber Taktgefühl oder Empathie ließen ihn schweigen. Er schien wortlos zu erkennen, dass Linden in Ruhe gelassen werden musste, und sie wusste seine Rücksichtnahme zu schätzen. Aber vor allem war sie in Gedanken längst woanders. Galt hatte Erinnerungen geweckt, die sie trotz ihrer Erschöpfung nicht unterdrücken konnte. So klammerte sie sich mit dem letzten Rest Kraft an Bilder von Jeremiah und versuchte, klar zu denken.
Jahre vor ihrer ersten Begegnung hatte Thomas Covenant einmal das Land abgewiesen, um einem von einer Schlange gebissenen kleinen Mädchen beizustehen. Linden hatte Verständnis für seine Entscheidung. Um Jeremiah zu retten, hätte sie wie er gehandelt, wenn sie keine andere Möglichkeit gesehen hätte. Aber die Meister hätten sich an seiner Stelle anders entschieden. Für sie hätte die Gefahr, die dem Land drohte, schwerer gewogen als die Leiden eines einzigen verlorenen Kindes.
Linden war sich jedoch bewusst, dass sie ihnen gegenüber unfair war. Ihre Situation – und die der Meister – unterschied sich in einem wichtigen Punkt von der Covenants. Er hatte sich dem Land zugunsten eines Kindes
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