Die Runen der Erde - Covenant 07
Glauben. Ohne Wert für Gott oder Menschen oder selbst Satan. Sogar der Verdammnis nicht würdig.«
»Joan!«, rief sie in die knirschende Stille. »O Gott! Haben sie dir das eingeredet?«
»Du musst sühnen«, erwiderte ihr Sohn. »Opfern. Aber du bist wertlos. Du hast nichts zu opfern, was Gott oder Menschen oder Satan wollen würden. Das Opfer muss einen gewissen Wert haben. Sonst zählt es nicht.«
Haben sie dir das eingeredet?
»Nur der Mann, den du verraten hast, kann für dich sühnen.«
Gerecht und erzürnt wandte Thomas Covenant ihr den Rücken zu.
Sie war Joan, in Joans Qualen gefangen. Wie es Rogers und Lord Fouls Absicht gewesen sein musste, griff sie mit Macht und Schmerz aus, um andere nach sich zu ziehen.
Aber sie war auch sie selbst, Linden Avery, und sie hatte die Berührung von Covenants Ring gespürt. In ihrem Inneren kämpften erneuerte Kräfte darum, sich zu behaupten: der Gesundheitssinn, die spirituelle Urteilsfähigkeit, die sie im Land besessen hatte. Ihre frühere Fähigkeit, zu sehen, öffnete sich vorerst noch provisorisch und fragil dem Abgrund und den Beschuldigungen, der vernichtenden Kritik, die Joans Seele gequält hatte ...
... und spürte einen Wüterich.
Linden nahm ihn sofort wahr, erkannte ihn als böse. Seine Gier nach Zerstörung war ihr vertraut. Er selbst nannte sich Turiya, war unter dem Namen Herem bekannt.
Schon die Erinnerung an seinen Hunger schmerzte.
Er hatte kein Gesicht, keine Hände, kein Fleisch; er war eine schwarze Seele, der uralte Feind und Verwüster des großen Waldes, der einst im Land gediehen war. Seine Gegenwart bedeutete Eiter und Grauen, alte Schreie von Bäumen.
In Schwelgenstein hatte Samadhi Sheol, einer der Brüder des Turiyas, sie berührt. Du bist für dieses Werk der Zerstörung auserwählt worden, hatte er ihr erklärt und sich an ihrem Entsetzen geweidet. Geschmiedet wirst du, wie man Eisen schmiedet, um die Vernichtung der Erde herbeizuführen. Durch Auge, Ohr und Tastsinn wirst du zu dem gemacht, dessen der Verächter bedarf.
Dann hatte Samadhi Wüterich sich zurückgezogen. Aber das hatte genügt. Voller Entsetzen war sie so tief im Bewusstsein des Bösen versunken, dass sie nur noch Verzweiflung gekannt, sich nur noch den Tod gewünscht hatte. Sie war sich ruiniert wie das wüste Land erschienen, nach dem die Wüteriche strebten; in den eigenen Untaten verloren.
Jetzt hatte ein Wüterich sich Joans bemächtigt. Womöglich hatte er seit Jahren in ihr gelebt. Ganz bestimmt füllte er sie jetzt aus, nährte sich von ihrem Wahnsinn, verzehrte sie mit seiner gefräßigen Heimtücke.
Und er besaß Joans Ring. Turiya Herem konnte im Dienst des Verächters wilde Magie freisetzen. Auf Veranlassung des Wüterichs hatte Joan andere herbeigerufen. Roger. Und auch Linden.
Und Jeremiah ...?
Linden schüttelte den Kopf. Die Frau, die sie einst gewesen war, wäre verzagt und geflüchtet. Aber diese Linden Avery gab es nicht mehr; sie war durch Covenants Liebe und die Bedürfnisse des Landes verändert worden. So viele der Wesen, die ihr ihre Herzen geöffnet hatten, hatten sie übertroffen: Sunder und Hollian, Pechnase und die Erste, Blankehans und Seeträumer. Covenant selbst war im Namen des Landes in die Ewigkeit eingegangen; er hatte Lord Foul besiegt und war über Linden hinausgewachsen. Trotzdem hatten sie ihr alle geholfen, das zu werden, was sie jetzt war: nicht die zerbrechliche Frau, die sich vor ihrer eigenen Finsternis in sich selbst zurückgezogen hatte, sondern die Heilerin, die das Sonnenübel mit wilder Magie und dem Stab des Gesetzes bekämpft hatte.
Nur der Mann, den du verraten hast, kann für dich sühnen, hatten Thomas Covenant oder sein Sohn ihr soeben im Abgrund zwischen den Welten erklärt und sich dann verächtlich von ihr abgewandt. Sie starrte ihm mit Feuer im Blick nach. Diese Verleumdung würde sie nicht akzeptieren. Joan hatte nur ihr eigenes Herz verraten. Angst hatte sie unterwandert, bis sie zu schwach gewesen war, um stehen zu können: Angst um sich selbst und ihren kleinen Sohn. Eine stärkere Frau hätte sich vielleicht anders entschieden, aber niemand durfte Joan dafür verdammen, was sie getan hatte. Niemand hatte das Recht dazu.
Nicht einmal Joan selbst.
Durch Leidenschaft und Feuer beflügelt, weigerte Linden sich, zu erdulden, was sie fühlte und sah. Mit Feuer vertrieb sie Joans Selbsthass; mit weißer Macht wischte sie den eigenen Schmerz beiseite. Der Ring zwischen ihren Brüsten brannte, als
Weitere Kostenlose Bücher