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Die Runen der Erde - Covenant 07

Die Runen der Erde - Covenant 07

Titel: Die Runen der Erde - Covenant 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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behauener Granit einen Kreis, der von einer niedrigen Brüstung umgeben war.
    Sie war allein.
    Sagt ihr, dass ich ihren Sohn habe.
    Sie rief nochmals Jeremiahs Namen. Einen Augenblick lang hörte sie das Echo ihrer Stimme, leer und einsam unter dem weiten Himmel. Dann verhallte es im Sonnenschein, ohne eine Spur zu hinterlassen.

2

Zäsur
     
     
    Anfangs konnte Linden sich nicht bewegen. Der Schrei hatte ihr die letzte Kraft geraubt. Von Echos gequält verschränkte sie die Arme auf dem glatten Fels und ließ den Kopf sinken, um zu rasten.
    Sie wusste, wo sie war. Oh, das wusste sie, hatte ihr kurzer Blick in die Runde bestätigt. Vor zehn Jahren, vor einem ganzen Leben, war sie schon einmal hier gewesen. Dieser Steinkreis mit der Brüstung war der Kevinsblick, eine künstlich angelegte Aussichtsplattform auf einem schrägen Felsturm hoch über der Hügelkette, die die Südlandebenen von den Ebenen von Ra trennte.
    Wie viel Zeit war seit ihrem ersten Besuch hier oben verstrichen? Aus Erfahrung wusste sie, dass Monate im Land in ihrer eigenen Welt nur Stunden waren; Jahrhunderte waren Monate. Und Thomas Covenant hatte ihr erzählt, zwischen seinen beiden unfreiwilligen Transfers habe das Land eine dreieinhalb Jahrtausende währende Umwandlung durchgemacht.
    War seither ein vergleichbares Intervall verstrichen, hätte die von ihr eingeleitete Heilung jede Felsformation und jeden Grashalm, jede Blattader und jeden Baumstamm vom Westlandgebirge bis zum Landsturz und darüber hinaus erfassen müssen. Aber dreißig Jahrhunderte und mehr würden auch Lord Foul genügt haben, wieder zu Kräften zu kommen und eine neue Korrumpierung dieses kostbaren, verwundbaren Ortes zu ersinnen.
    Sie würde ihren Sohn in einem Land suchen müssen, das sich vielleicht bis zur Unkenntlichkeit verändert haben würde. Nach Covenants Schilderung war das Land einst eine Oase der Schönheit und Gesundheit, reich an Vitalität gewesen. Damals war die natürliche Kraft der Welt hier dicht unter der Erde geflossen, und die innere Schönheit des Landes war für jeden erkennbar gewesen, der es betrachtet hatte. Aber das Sonnenübel hatte diesen ursprünglichen Liebreiz beeinträchtigt, hatte ihn zu Dürre und Regen, Pestilenz und Fruchtbarkeit pervertiert. So hatte Linden den wahren Wert des Landes erst erfasst, als sie endlich Andelain besucht hatte. Dort, in der letzten Bastion des Gesetzes gegen das Sonnenübel, hatte sie den wahren Reichtum der Erdkraft, die Wohltat und den Trost der grundlegenden Großzügigkeit des Landes gesehen und gespürt und geschmeckt. Ihr übernatürliches Wahrnehmungsvermögen hatte seine Gesundheit und seinen Überfluss für ihre Sinne spürbar gemacht. Von Covenant und Andelain beflügelt, hatte sie mit ihrer ganzen Liebe und Leidenschaft danach gestrebt, das Land in den Zustand vor Lord Fouls Angriff auf sein natürliches Wesen zurückzuversetzen.
    Großer Gott, wie schlimm war es diesmal? Was hatte Lord Foul getan?
    Was tat er gegenwärtig Jeremiah an?
    Dieser Gedanke elektrisierte sie, rüttelte sie wach. In ihrer eigenen Welt war sie tot oder lag im Sterben. Ihr Leben war beendet, durch einen Bleiklumpen ausgelöscht. Sie hatte keines ihrer Versprechen gehalten. Hierzulande gehörte sie jedoch irgendwie weiter zu den Lebenden – genau wie damals Covenant nach seiner Ermordung hinter der Haven-Farm. Und solange sie wenigstens noch ein Schatten ihrer selbst war, war ihr nur Jeremiah wichtig.
    Sagt ihr, dass ich ihren Sohn habe.
    Auch er hatte überlebt; zumindest hier, wenn auch nicht unbedingt in seiner früheren Existenz. Solange Linden noch atmen und denken und kämpfen konnte, würde sie dem Verächter nicht – niemals! – gestatten, Jeremiah zu behalten. Trotzdem sprang sie nicht gleich auf die Beine. Sie wusste bereits, dass jeder Versuch, Jeremiah zu retten, ohne weiteres Monate erfordern konnte. Sie konnte nicht einfach vom Kevinsblick herabsteigen und an Jeremiahs Seite treten. Der Ort, an dem Lord Foul ihren Sohn versteckt hielt, konnte Hunderte von Meilen entfernt sein. Teufel, sie konnte Tage brauchen, um nur ihre eigenen Umstände – und die des Landes – zu begreifen.
    Sie hatte sich selbst gesehen, wie sie die Schlange des Weltendes aufweckte. Sie war Zeugin geworden, wie monströse Kreaturen den Erdboden verschlangen, als ernährten sie sich von Leben und Erdkraft.
    Und diesmal war sie allein. Ganz allein. Sie wusste nicht einmal, ob das Dorf Steinhausen Mithil, in dem Covenant und sie in

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