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Die Runen der Erde - Covenant 07

Die Runen der Erde - Covenant 07

Titel: Die Runen der Erde - Covenant 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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verstehe ich nicht.
    Einen Augenblick lang überwältigte tiefer Kummer sie, und ihr Blick verschwamm, während sie den Verlust ihres Sinnes für das Gesunde betrauerte. Nun hatte die Welt für sie jegliche Schönheit verloren. Und sie hatte ihren Sinn nur so kurze Zeit genießen dürfen ...
    Bei ihrem ersten Aufenthalt im Land hatte ihre Wahrnehmung sie Übeln ausgesetzt, gegen die sie keinen Schutzpanzer und keine Waffen besaß. Das Sonnenübel und der Samadhi -Wüterich hatten ihr fast den Lebensmut geraubt. Trotzdem hatte sie dieses Unterscheidungsvermögen schätzen gelernt. Es hatte das Schöne ebenso beleuchtet wie das Böse; es hatte ihr zu verstehen ermöglicht, warum Covenant das Land liebte. Es hatte sie gelehrt, ihre Arbeit als Heilerin unter einem anderen Aspekt zu sehen – weniger als Zurückweisung des Todes, mehr als Bestätigung des Lebens. Und es hatte ihr – als sie das Gefühl gehabt hatte, ihre Last, Covenants Bürde und die des Landes überforderten sie – einen Lebenszweck und den Mut zum Weitermachen gegeben.
    Ein Wüterich hatte ihr erklärt: Geschmiedet wirst du, wie man Eisen schmiedet, um die Vernichtung der Erde herbeizuführen. Du bist auserwählt worden, Linden Avery, weil du sehen kannst. Aber Lord Foul hatte sich in ihr getäuscht. Weil sie sehen konnte, hatte sie gelernt, ihn zu hassen und gegen ihn zu kämpfen. Letzten Endes war es ihr Sinn für das Gesunde gewesen, der sie das Sonnenübel wirksam hatte bekämpfen lassen. Nun hatte sie zehn Jahre ohne diesen Sinn gelebt, aber er war ihr noch immer teuer. Für eine kleine Weile glaubte sie, dieser Verlust müsse ihr erneut das Herz zerreißen.
    Aber sie hatte keine Zeit, ihrem Sinn für das Gesunde nachzutrauern. Das Loch in ihrer Bluse und die Narbe auf ihrer Brust änderten nichts. Sie brauchte Antworten, musste verstehen lernen. Und sie hungerte nach Gesellschaft. Deshalb brauchte sie Anele.
    Sie wiederholte seinen Namen energischer. »Kannst du mich hören? Alles in Ordnung mit dir?«
    Er fuhr zusammen, als hätte sie ihn geschlagen. »Du!« Er rieb sich sekundenlang die Augen, als versuche er, seine Blindheit abzulegen. Dann wälzte er sich auf die Seite und rappelte sich auf. »Du bist hier.« Er hustete vom Staub in seiner Kehle, lehnte sich an den Felsblock, hinter dem er gelegen hatte, und stemmte die Füße gegen ein schräges Felsband. »Ich habe es mir also doch nicht eingebildet. Du hast mich gerettet.«
    Bevor sie antworten konnte, tappte er unbeholfen auf sie zu. Sie streckte instinktiv eine Hand aus, um ihn zu stützen. Eine seiner Hände fand ihren Arm, umklammerte ihn fest. Die andere griff nach oben, um ihr Gesicht zu erforschen, als glaube er, es durch Abtasten wiedererkennen zu können.
    Linden wollte unwillkürlich zurückweichen, aber der Alte hielt sie fest.
    »Das Gesetz des Todes wurde gebrochen«, murmelte er, als spreche er mit sich selbst, während seine Fingerspitzen ihren Gesichtsausdruck nachvollzogen, »schon vor langer, langer Zeit.« Er legte den Kopf schief, musterte sie mit blicklosen Augen. »Das Gesetz des Lebens wurde in Andelain gebrochen. Solche Dinge sind möglich.«
    Sie starrte ihn an, war über sein verändertes Benehmen zunächst verblüfft. Sein schief gelegter Kopf ließ auf eine geistige Behinderung schließen, aber sein Wahnsinn war offenbar mit dem Smog verschwunden. Er sprach jetzt normal, schien im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte zu sein.
    Zu Antworten imstande.
    »Ich bin Linden«, erklärte sie ihm. »Linden Avery. Ich bin gerade erst hier angekommen. Ich weiß nicht, ob du schon mal von mir gehört hast. Ich weiß nicht, was hier vorgeht. Aber ich ...«
    Er ließ abrupt die Hand sinken. Mit einem zitternden Finger deutete er auf Covenants Ring, der außerhalb ihrer Bluse hing.
    »Und du besitzt Macht. Das ist gut. Du wirst sie brauchen.«
    Seine Worte beunruhigten sie, als hätte ein Orakel gesprochen. Seit dem Einsturz des Kevinsblicks wirkte er eigenartig wissend. Sie wusste nicht recht, wie sie sich ihm nähern sollte.
    »Ich habe mir Sorgen um dich gemacht«, murmelte sie verlegen, während sie den Ring wieder unter der Bluse verbarg. »Du bist während unseres Sturzes verschwunden. Ich dachte schon, du seist tot.«
    Der Alte legte den Kopf noch schiefer. »Ich hatte Angst vor dir. Du hättest ...« Er fuhr zusammen und rieb sich mit der freien Hand grob das ungescheitelte Haar. »Die Bewohner dieser Gegend sind freundlich zu mir. Kevins Schmutz blendet sie, sodass

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