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Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition)

Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition)

Titel: Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Ballantine
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sie sich seiner Nacktheit und seines Kusses. Lächerlich.
    »Da Ihr darauf besteht mitzukommen«, erwiderte sie so gelassen, wie das mit zusammengebissenen Zähnen möglich war, »konzentrieren wir uns bitte darauf, diesem Jungen und seiner Familie zu helfen.«
    Zum Glück war er für eine Weile still, obwohl sie sich seiner Gegenwart weiter schmerzhaft bewusst war. Es war fast eine Erleichterung, das Haus des Händlers zu erreichen.
    Wailace stand an der Tür und redete mit einem Mann, der zusammengesunken auf dem Boden saß und sich mit dem Kopf in den Händen an die Hauswand lehnte. Sorcha näherte sich langsam, blieb stehen und musterte ihn. Sein Blick aus rot geränderten Augen war gehetzt, seine Hand zitterte. »Könnt Ihr …« Er räusperte sich. »Könnt Ihr meiner Tochter helfen?«
    Sie war klug genug, keine Versprechungen zu machen. »Ich werde es auf jeden Fall versuchen.«
    »Sie …« Der Vater wandte den Blick ab, und Scham brannte ihm im Gesicht. »Sie sagt Dinge, die …«
    Sorcha hatte viele verzweifelte Verwandte gesehen, die gezwungen gewesen waren, schreckliche Dinge zu tun, und war darum zum Teil gewappnet gegen das, was sie erwartete. »Ich verstehe.« Sie drückte ihm leicht die Schulter und stellte die eine Frage, auf die sie eine Antwort brauchte. »Wie heißt sie?«
    »Anai«, flüsterte er und umklammerte die Hand seines Sohnes.
    Sorcha überließ ihn seiner Scham und seinem Kummer. Es war nicht an ihr, die Angehörigen zu trösten, und jetzt hatte sie zumindest eine vertraute Aufgabe vor sich.
    Die Tür öffnete sich knarrend. Türen knarrten immer, das war eben so. Kaum traten sie über die Schwelle, wurde die Luft eiskalt. So kalt, dass sie wünschte, sie hätte ihren Umhang mitgenommen. Außerdem herrschte ein durchdringender Gestank.
    »Bei den Alten, was stinkt denn hier so?« Raed, der an Bord des Schiffs reichlich Erfahrung mit üblen Düften gesammelt hatte, hielt sich den Arm vor die Nase.
    Es war mit der stärkste Gestank, dem sie je begegnet war. Die Unlebenden mochten das, weil der Geruchssinn die meisten Erinnerungen heraufrief. Dieser Gestank erinnerte passenderweise an Fischköpfe – und zwar an solche, die tagelang in der Sonne gelegen hatten. Aber da war noch etwas: der Geruch von Fäkalien – ein sicheres Zeichen für die Unlebenden.
    Sorcha wusste bereits, was sie erwartete, als sie ihrer Nase zu der verschlossenen Tür folgte, die hinunter in den Rübenkeller führte. Sie drehte sich um und warnte Raed. »Was immer Ihr tut, Prätendent, seid leise.«
    »Kann ich nichts Nützlicheres tun?«, fragte er keuchend.
    Sie zuckte leicht mit den Schultern. Dass sie dankbar dafür war, nicht allein zu sein, würde sie ihm nicht sagen. »Ihr könnt mir Rückendeckung geben, vielleicht hilft das ja.«
    Sorcha schlug das Schloss auf und betrat den Raum. Es war wie erwartet. Der Keller war leer geräumt, Schleifspuren am Boden zeigten, wo die Vorräte des Händlers eilig bewegt worden waren. Das kleine Fenster am anderen Ende war von außen verbarrikadiert, das Licht daher grau und spärlich. Die Tochter des Händlers war an die Wand gegenüber der Tür gekettet.
    Sie war höchstens acht oder neun Jahre alt, hockte mit angezogenen Beinen auf dem nackten Boden und schniefte vor sich hin. Ihr Kopf hing herunter, und wirres kupferfarbenes Haar verbarg ihr Gesicht. Ihre Kleidung war schmutzig und zerrissen, als wäre sie in einen schweren Sturm geraten. Ihr Anblick konnte das härteste Herz erweichen.
    Sorcha ließ sich jedoch nicht täuschen, obwohl ihre wenigen mütterlichen Instinkte sich stets meldeten, wenn ein Kind im Spiel war. Stattdessen bedeutete sie Raed mit einer Kopfbewegung, hereinzukommen. Als er Anstalten machte, zu dem Mädchen zu gehen, legte sie ihm bremsend eine Hand auf die Brust – eine stumme Geste, die ihn daran erinnerte, leise zu sein.
    Der lästige Pirat runzelte die Stirn, blieb aber zum Glück schweigend an der Tür.
    Gemeinsam standen sie einige Minuten da, atmeten den Gestank ein und warteten darauf, dass das Kind aufhörte zu weinen. Schließlich holte es schluchzend Luft und sah zu ihnen auf. In dem düsteren Keller glänzten die Augen des Mädchens wie die einer Katze, aber das Licht, das sie reflektierten, war nicht von dieser Welt.
    Sorcha streifte ihre Handschuhe nicht über, sondern ging stattdessen zu dem Mädchen und kniete sich hin. Das Kind zog die Lippen zu einem wölfischen Knurren zurück und neigte wissend den Kopf. Die Diakonin und

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