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Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition)

Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition)

Titel: Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Ballantine
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Priorin sie dann nicht aufgenommen?«, fragte Raed spitz.
    »Ich denke, Aulis hatte andere Pläne für sie. Vielleicht aber …« – Sorcha hielt inne, um ihre dunkleren Ängste in Worte zu fassen – »… vielleicht hat sie das Schreckliche sogar verursacht, das dem Mädchen hier widerfährt.« Sie stand auf und betrachtete Anai. »Gebt Aulis bitte keinen Titel, den sie nicht verdient. Sie ist keine Priorin des Ordens.«
    »Und das Mädchen … könnt Ihr etwas für sie tun?«
    Sorcha hatte genug vom Gefühl der Machtlosigkeit; das war nicht die natürliche Verfassung eines Diakons. »Nein. Wenn sie aufwacht, hat der Poltergeist sie immer noch im Griff. Ich habe ihr nur ein wenig Ruhe verschafft – hoffentlich genug, um noch etwas länger durchzuhalten.«
    Als Merrick die Stufen hinabstieg, die unter das Kloster führten, vertrieb die Kälte schnell alle Wärme, die er in Nynnias Nähe verspürt hatte. Die Mauern zu beiden Seiten waren mit Schriftzügen bedeckt. Merrick holte tief Luft und machte auf der letzten Stufe halt, um sich die Kritzeleien anzusehen. Es war ein Schutzzauber, wie er den Sensiblen in den letzten Monaten ihrer Ausbildung beigebracht wurde, und er war mit Blut geschrieben. Das erklärte den blinden Fleck in seiner Wahrnehmung.
    Sobald er in den Bereich des Schutzzaubers eingedrungen war, flackerte seine Sicht durch die Korridore, und er brauchte nicht lange, um die Leiche zu finden. Der Keller befand sich am Ende des Gangs. Der Diakon lief darauf zu. Seine Kehle war bereits trocken. Die Tür war verschlossen, doch Merrick hatte wie stets einen kleinen Satz Werkzeug dabei und konnte den Mechanismus binnen Minuten mit seinen Messinggeräten öffnen. Die Sensible war zu Tode verängstigt gewesen, denn auch sie hatte sich – obwohl eingesperrt – verbarrikadiert.
    Merrick musste viel Kraft aufwenden, um an den Fässern vorbeizukommen, die sie aufgestapelt hatte. Noch bevor er sie sah, wusste er, dass sie tot war. Doch als er hineinstürmte, dachte er für einen Augenblick, er habe sich geirrt. Eine bleiche Gestalt flackerte in der Ecke auf, das Gesicht in tiefstem Elend Merrick zugewandt. Der Blick, den er auf ihren Schatten erhaschte, währte nur einen Moment, eine volle Erscheinung, die wieder in die Anderwelt verschwand, sobald er sie gesehen hatte. Wie sie auch heißen mochte: Sie hatte darauf gewartet, entdeckt zu werden.
    Die junge Diakonin lag zusammengerollt in einer staubigen Ecke des Kellers. Ihre rote Hand zeigte, woher das Blut stammte, mit dem sie den Zauber geschrieben hatte. Ihre Augen waren groß und traten unter blondem, kurz geschnittenem Haar aus den Höhlen, während ihr Riemen schlaff und schief um ihren Hals hing. Er war verkohlt, als hätte man ihn über eine Flamme gehalten.
    Merrick schob seinen Umhang beiseite und warf einen Blick auf den eigenen Riemen, der fest in seinem Behälter saß. Bis jetzt war es nicht nötig gewesen, ihn zu benutzen, aber das würde sich gewiss sehr bald ändern.
    Er kniete sich neben die Leiche, schloss ihr behutsam die Augen und vermied dabei, den Riemen zu berühren. Nur ein Abt konnte den Talisman eines anderen berühren, ohne dass es Folgen hatte. Sein Versuch, ihre Würde zu wahren, änderte für die Leiche nichts, doch er fühlte sich ein wenig wohler, wenn er nicht in ihre gebrochenen Augen schauen musste. Er untersuchte die Szene, wie er es in der Ausbildung gelernt hatte. Die Diakonin trug den smaragdgrünen Umhang, aber darunter war sie mit einem leichten Hemd bekleidet, das womöglich ihr Nachtgewand gewesen war. Merrick schloss daraus, dass sie offenbar hastig aufgestanden war und sich nur rasch ihren Umhang und den Riemen gegriffen hatte.
    Vorsichtig öffnete er ihre geballte, blutverschmierte Linke. Die Spitzen von vier Fingern waren fast bis auf die Knochen in unsauberen Schnitten aufgeschlitzt. Sie war also in Eile gewesen und hatte sich unbedingt mit ihrem eigenen Blut retten wollen. Ein kleines Messer lag nur wenige Schritte entfernt, und seine stumpfe Klinge war blutig. Es war keine gute Waffe und wurde wohl eher bei Tisch benutzt statt für unheimliche Zauber. Er konnte keine anderen sichtbaren Wunden entdecken.
    Merrick legte die Finger auf ihre Haut. Sie war kalt, aber es war klar, dass sie nicht beim ersten Angriff gestorben war. Sie hätte jederzeit nach oben kommen können, um Hilfe zu holen – und doch hatte sie es nicht getan.
    Der Diakon hockte sich auf und ließ den Blick erneut über die Szene wandern, um

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