Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Runenmeisterin

Die Runenmeisterin

Titel: Die Runenmeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Groß
Vom Netzwerk:
verlieren. Er würde es als göttliche Fügung hinnehmen, wenn sein Weib unfruchtbar blieb, so wie er auch auf das natürliche Ableben seines Bruders wartete. Er ließ den Dingen ihren Lauf. Vertraute auf Gott, der es schon richten würde. Maria schauderte und ging ins Haus zurück.
    Im Haus war es ruhig geworden. Die Tage schlichen eintönig dahin. Es gab keine Festlichkeiten mehr, nur noch gelegentliche Einkäufe auf dem Markt. Die Abende waren leer, und Maria versuchte, sich mit Lesen die Zeit zu vertreiben. Cainnech Tuam kam ihr nicht mehr unter die Augen, und sie redete sich ein, es interessiere sie nicht, wo er seine Zeit verbrachte.
    Der Priester war dagewesen, und sie hatte gebeichtet. Über ihren Stolz und Hochmut, aber er hatte nur milde gelächelt. Offensichtlich schien es ihm nicht sehr interessant, was sie ihm zu bekennen hatte, denn ein Lächeln lag auf seinem Gesicht, wie eingemeißelt.
    Das machte sie wütend, noch hochfahrender, noch stolzer. Sie hätte ihn in dieses Grinsen hineinschlagen mögen, in dieses fette, rote Gesicht. Sie sprach von ihrem Haß, und siehe da, sein Grinsen schwand wie Schnee in der Sonne.
    »Haß, gute Frau …«, meinte er säuerlich, »ist ein besonderes Übel. Ihr seid doch nicht zu wirklichem Haß fähig.«
    »Doch«, schleuderte sie ihm so heftig entgegen, daß er ganz entgeistert zurückwich.
    »Betet zehn Rosenkränze«, sagte er hastig und segnete sie.
    Im Juli, als die Kirschen reiften, kam Berthold zurück. Überglücklich, Maria wiederzusehen, ließ er die unangenehme Neuigkeit, die er mitgebracht hatte, vorerst unausgesprochen, und sie fielen sich in die Arme wie zwei Schiffbrüchige, die endlich an Land gekommen sind. Sie liebten sich zärtlich und lagen lange da, eng aneinandergeschmiegt. Dann sah Maria das Blut auf dem Laken. Blasses Blut, als wäre es mit Wasser vermischt. Berthold sah ihren erschreckten Blick.
    »Der Ritt. Das viele Reiten bekommt mir nicht. Die Wunde platzt auf. Wo ist Cai?«
    Maria wußte es nicht. Sie hatte den Arzt seit Wochen nicht mehr zu Gesicht bekommen. Berthold setzte sich auf, wickelte sich das Laken um die Wunde.
    »Wir reiten zurück nach Raupach«, sagte er. »Ich möchte deinen Vater nicht zu lange warten lassen. Es wird Ärger geben.« Er nickte vor sich hin. »Mein Bruder wird gewiß nicht so alt wie Methusalem, aber ich werde trotzdem wohl nie den Titel tragen.« Er sah Maria an. »Maria, er hat geheiratet. Eine Fünfzehnjährige, und sie ist schwanger.«
    Maria verstand sofort, was er andeuten wollte. Das ungeborene Kind würde den Titel erben, und Berthold ginge leer aus.
    Berthold schälte sich aus dem Laken und stand auf. Blut klebte an seinem Oberschenkel. »Sie ist hier.«
    »Wer?« fragte Maria verständnislos.
    »Seine Frau, das Mädchen. Sie ist noch ein Kind. Dumm wie Bohnenstroh und fruchtbar wie ein Kaninchen. Eine entfernte Verwandte des Königs von Frankreich. Blanche de Castilly. Ich gebe ihr zu Ehren heute abend ein Essen.«
    Maria schluckte. »Und dein Bruder?«
    »Oh, der ist in Schwaben. Er kann nicht mehr reisen. Er freut sich so sehr über seinen zukünftigen Erben, daß er Blanche jeden Wunsch von den Augen abliest.«
    »Grundgütiger Gott«, sagte Maria nur.
    Gegen Mittag erschien der Arzt, aufgeräumt, freundlich und nüchtern. Berthold klopfte ihm auf die Schulter. Er saß auf einem Schemel, die rechte Hüfte entblößt.
    »Ihr habt wieder Fieber«, stellte Cainnech fest, »Ihr solltet ins Bett gehen.«
    »Daß ich Fieber habe, weiß ich selbst«, brummte Berthold, »und ins Bett kann ich nicht. Heute abend ist das Festessen für meine Schwägerin.«
    Cainnech sah ihn fragend an.
    »Mein Bruder hat geheiratet, und seine Frau ist schwanger. Sie ist hier.«
    Cai pfiff leise durch die Zähne. »Wenn Ihr in diesem Zustand das Festessen überlebt, überlebt Ihr auch diese Enttäuschung. Warum geht Ihr nicht einfach und holt Euch, was Ihr haben wollt?«
    Berthold musterte seinen Arzt finster. »Ich soll ihn umbringen und mir den Titel auf diese Weise nehmen. Meint Ihr das?«
    Cainnech grinste. »Vielleicht habt Ihr zu lange gewartet. Jetzt steht Euch dieser kleine Bastard im Weg.«
    Berthold nickte. »Ja, es ist zu spät. Ich kann nicht dieses arme Mädchen dafür büßen lassen …«
    Der Ire säuberte die Ränder der Wunde mit Essigwasser, und Berthold verzog vor Schmerz das Gesicht. Die Kleine aus dem Weg zu räumen wäre noch einfacher, als den eigenen Bruder, dachte er und erschrak. Was hatte sein

Weitere Kostenlose Bücher