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Die Runenmeisterin

Die Runenmeisterin

Titel: Die Runenmeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Groß
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Herz so vergiftet, daß er solche Gedanken hegte?
    »Würdet Ihr es tun?« fragte er, während der Ire die Binden auseinanderzurollen begann. Cai wußte gleich, was er meinte.
    Er legte die erste Binde an, zog sie fest und band sie zu. »Würdet Ihr es wollen?«
    »Nein, beim Kreuze Christi, nein. Aber die Verführung ist groß, sie ist nur ein Mädchen …«
    »Ja«, sagte Cai ungerührt. »Es würde nicht viel Mühe kosten. Eine Überdosis Eisenhut, und Euer Weg wäre frei. Eisenhut ist ein vielseitiges Kraut. Man kann eine Salbe daraus machen, dann hilft er gegen Schmerzen und Ziehen in den Gliedern. Man kann ihn zu Pulver verarbeiten und mit Wasser oder Wein verdünnen, dann vertreibt er das Fieber. Wenn man ihn unverdünnt läßt, wird er zu einem gefährlichen Gift, dem gefährlichsten, das ich kenne …«
    »Ihr seid der Satan in Menschengestalt«, murmelte Berthold düster. »Wenn ich es Euch befehlen würde, würdet Ihr hingehen und das Mädchen vergiften. Aber ich befehle es Euch nicht, Cai, und darum haltet Ihr mich für einen Schwächling, nicht wahr?«
    Der Arzt zog die letzte der Binden fest, prüfte sie noch einmal und lächelte. »Nein, Herr, ich verachte Euch darum nicht. Ganz im Gegenteil, ich bin froh, daß es wenigstens noch einen Menschen auf der Erde gibt, der so etwas wie ein Gewissen hat. Seitdem die Priester uns gesagt haben, wie sündig wir sind, scheinen sich die Sünden auszubreiten wie die Pest. Und eine der größten Sünden ist die Herzlosigkeit.«
    Berthold sah auf seine Hüfte hinunter. Die Binden schnitten ihm ins Fleisch und schmerzten ihn bei jeder Bewegung. »Das sagt ausgerechnet Ihr?« fragte er verblüfft.
    »Wer sollte es besser wissen?« gab der Ire zurück und wusch seine Hände in einer Schüssel, die auf der Anrichte stand. »Wißt Ihr, daß dieser Bischof Gero in Köln ist?«
    »Gero? Nein.«
    »Ich habe ihn aufgesucht, weil ich dachte, er wüßte vielleicht etwas über Monreal. Aber statt dessen erzählte er mir, daß der Kaiser Raupach als Köder benutzt. Und ich fürchte, er hat recht.«
    Berthold stand auf und machte einige Schritte. »Als Köder? Was meint Ihr damit?«
    »Vielleicht wartet der Kaiser nur darauf, daß Heinrich endlich kommt und die Burg angreift. Braucht der Kaiser eine Art Legitimierung, um dem Löwen endlich den Garaus zu machen?«
    Berthold drehte sich um. »Und wir … wir spielen den Käse für die Mausefalle?«
    »Genau.«
    »Das hat Gero gesagt?«
    Cai Tuam nickte. Berthold schwieg. Er hatte nie eine besonders hohe Meinung von Friedrich gehabt, den er für grausam und habgierig hielt, aber dies öffentlich zu sagen, verbot sich für ihn wie für andere von selbst. Aber gerade darum konnte er sich vorstellen, daß an den Worten des Iren etwas Wahres war. Ja, der Kaiser würde selbst einen loyalen Mann wie Raupach als Köder benutzen, wenn es denn seiner Sache dienlich war.
    »Kein Wort darüber zu irgend jemandem«, sagte er scharf. »Wir können nichts daran ändern, außer uns verdächtig zu machen. Der Kaiser ist für Raupach wie ein Heiligenbild, das er anbetet. Haltet Euren Mund, Ire, auch wenn Ihr recht haben solltet.«
    Blanche de Castilly war das häßlichste Geschöpf, das Maria je gesehen hatte. Ein langes Pferdegesicht mit reizlosen braunen Haaren und weit auseinanderstehenden, blaßblauen Augen, dazu ein plumper Leib, den die Schwangerschaft noch plumper machte. Sie lachte gerne, und sie lachte oft, und eigentlich lachte sie immer, das Leben schien für sie ein einziger Grund zur Freude zu sein. Ihre Schwangerschaft machte sie glücklich, und ihre Häßlichkeit ließ sie kalt. Sie war eine beneidenswerte Seele.
    Berthold hatte wieder Freunde eingeladen und Musikanten, die spielten auf der Galerie auf Fiedeln, Spießgeigen und Trommeln. Ein verkrüppelter Narr sprang über Bänke und Tische, bis man ihn vor die Türe warf, weil er die Gräfin von Neuss eine Schlampe genannt hatte. Am Himmel stand ein voller Mond und machte die Menschen übermütig.
    Maria saß auf ihrem Stuhl und sah Berthold zu, der mit Blanche tanzte. Maria war nicht eifersüchtig – zu tief ging ihr Einverständnis mit Berthold. Aber seine Wunde machte ihr Kummer, seine heftigen, immer wiederkehrenden Fieberattacken, seine mangelnde Bereitschaft, sich zu schonen. In diese Gedanken verloren saß sie da, als plötzlich eine vertraute Stimme neben ihr erklang.
    Sie sah auf. Da stand Cai Tuam in einem dunkelgrünen Wams mit gestriegelten, glänzenden Locken und fragte

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