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Die Runenmeisterin

Die Runenmeisterin

Titel: Die Runenmeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Groß
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er verdächtigen würde. Ist er blind vor lauter Verliebtheit und Geilheit? Der Ire setzte sich neben Custodis und begann zu essen. Brot, Wildpastete, die mit Gewürzen überladen war, und Käse. Währenddessen lehnte Custodis sich zurück und betrachtete den Iren mit fast zärtlichem Blick. Es zuckte ihm in der Hand, die lässig über der Stuhllehne des Iren baumelte. Zu nah an Cai Tuams schwarzen Locken. Der aß bedächtig und nahm sich Zeit. Trank Wein mit Wasser verdünnt, um nüchtern zu bleiben. Custodis spreizte die Finger. Der Ire spürte die Bewegung an seiner Schulter. Er sah, wie sich die Halle allmählich leerte. Berthold und Raupach gingen hinaus, die Diener zogen sich zurück. Aber Maria war noch da.
    Sie stand in der Küchentür und sah ihn an. Und da bemerkte er die Veränderung in ihrem Gesicht. Da war kein Haß mehr, eher Ermunterung, als wolle sie ihm Mut zusprechen. Aber er verspürte keinen Mut. Er war leer, innerlich tot und nur noch nicht begraben.
    Custodis schaukelte mit seinem Stuhl vor und zurück. Der herzogliche Vollstrecker hatte jedes Recht, auch das Recht, seine fleischlichen Gelüste zu befriedigen. Cai Tuam gefiel ihm ausgesprochen gut. Er hatte so etwas Rätselhaftes an sich, das Custodis reizte, und er war Soldat. Soldaten waren brutal. Custodis liebte brutale Männer.
    Er fuhr mit der Hand spielerisch über des Iren Schenkel. Sein Herz begann wild zu schlagen. Eine feine Beute, dachte er, ein Schatz. Seine Hand verirrte sich wieder. Diesmal noch weiter nach oben.
    »Warum geht das Weib nicht?« knurrte er ärgerlich. »Was starrt sie so herüber?« Dann wandte er sich wieder lächelnd dem Iren zu, der noch mehr Wasser in seinen Wein schüttete. »Hier ist es ungemütlich«, schnurrte er, »gehen wir in meine Kammer.«
    Der Ire hatte die dem Vollstrecker abgewandte Hand am Heft seines Dolches. Eine Magd kam und wollte den Tisch abräumen. »Verschwinde, Weib«, herrschte Custodis sie an, und sie machte, daß sie aus seiner Nähe kam. Der Ire hatte noch immer die Hand am Dolch. Aber er konnte den herzoglichen Vollstrecker nicht einfach ermorden. Er durfte den Lüstling nicht einmal verärgern. Er saß in der Falle, verharrte reglos wie ein Tier, das sich totstellt. Spürte erneut Custodis Hand an seinem Bein und roch dessen weinsauren Atem.
    Da zerriß der erste Donner die Stille. Jemand machte die Tür auf, und der Sturm brach herein und wirbelte Sand und Blätter ins Haus. Pferde schrien draußen in Panik, ein Stallbursche kam hereingestürzt. »Herr, die Ställe brennen!«
    »Schade«, seufzte Custodis. »Wir treffen uns morgen in meiner Kammer, Soldat.« Er stand auf, rückte seinen Umhang zurecht und stapfte aus der Halle.
    Auf den Donner folgte der Regen. Er löschte die Flammen, die über dem Stall zusammenschlugen und ließ nur verkohlte Asche übrig. Die Soldaten ritten wie blinde Maulwürfe in die Nacht hinaus und suchten die entlaufenen Pferde.
    Berthold kehrte bald wieder in seine Kammer zurück. Die Wunde war aufgebrochen und schmerzte. Aber Cai hatte genug anderes zu tun, er würde ihn heute in Ruhe lassen. Er warf sich aufs Bett.
    Maria war noch nicht da. Sie war sicher bei den Frauen, die den Männern halfen, das Vieh einzufangen. Er versank in einen leichten Schlaf, die Hand ausgestreckt nach Maria, die nicht neben ihm lag.
    Sie traf ihn in einem der ausgebrannten Ställe.
    »Ist alles in Ordnung?« fragte der Ire.
    Maria nickte. »Und mit Euch?«
    Der Ire grinste. »Ich hatte Glück. Das Feuer hat mir meine Unschuld gerettet.«
    »Und was ist morgen? Und übermorgen?«
    Sie schwiegen. Waren verlegen wie Kinder und wußten nicht, warum. Er wirkte müde und verletzlich.
    »Ich möchte Euch etwas fragen.« Maria senkte die Stimme. »Ich war heute bei der Runenmeisterin. Habt Ihr den Jungen befreit?«
    »Ach, darum seid Ihr so verwandelt«, knurrte er, »die alte Hexe hat Euch die Ohren vollgeschwatzt.«
    »Nein, nein …«, wehrte sie ab. »Ich habe nicht alles verstanden, aber …«
    »Aber was?« unterbrach er sie schroff. »Es ist besser, nichts zu wissen als das Verkehrte.«
    »Cai …«, sagte sie leise. »Bitte sagt mir die Wahrheit. Habt Ihr ihn befreit?«
    Er schüttelte den Kopf, wandte sich einem der Pferde zu, warf ihm ein Halfter über und führte es aus dem Stall.
    Am nächsten Morgen erschien ein Reiter aus Braunschweig. Ihn habe unterwegs ein Fieber geschüttelt, erzählte er, während er abgerissen von der Reise in der Küche saß und sich den Bauch

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