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Die Runenmeisterin

Die Runenmeisterin

Titel: Die Runenmeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Groß
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vollstopfte mit Haferkuchen.
    »Aus Braunschweig läßt man ausrichten, daß Custodis alle Vollmachten genießt, um den Mord aufzuklären. Alle, Herr.«
    Raupach schwieg nachdenklich. Dann waren ihm die Hände gebunden. Er beugte sich zu dem Mann herüber. »Hat er auch das Recht, sich an meinen Soldaten zu vergreifen?«
    Dem anderen fielen die Reste des Haferkuchens aus dem Mund. »Ehrwürdiger … nein. Ich weiß, den Mann quälen zuweilen widernatürliche Gelüste. In Braunschweig ist das wohlbekannt. Man hat Custodis deshalb schon zweimal ermahnen müssen, auf sein Seelenheil zu achten. Auf der anderen Seite ist er ein mehr als brauchbarer Mann, und der Herzog würde nur ungern auf ihn verzichten. Warum fragt Ihr, Herr?«
    Raupach verzog das Gesicht: »Er hat ein Auge auf einen meiner Soldaten geworfen.«
    »Allmächtiger!« seufzte der Mann. »Das ist ein schreckliches Übel. Hat er, ich meine, hat er schon …« Er brach sein Gestammel verlegen ab und starrte auf die Reste seines Haferkuchens.
    »Muß ihm der Soldat zu Willen sein, oder zieht er sich sonst die Ungnade des Vollstreckers zu?«
    Der Mann wurde rot über beide Ohren. »Schickt den Soldaten fort, das ist der einzige Rat, den ich Euch geben kann. Sagt meinetwegen, der Herzog habe eine besondere Aufgabe für ihn. Ich reite heute wieder zurück, also wird Custodis niemanden dafür verantwortlich machen können.«
    »Das ist ja lachhaft«, sagte Raupach wütend. Jetzt mußten sie den Iren verstecken und hatten den verfluchten Kerl noch immer am Hals.
    Er stand auf und ging ohne Umschweife in die Unterkunft der Soldaten. Der Ire lag auf seiner Pritsche und schlief. Raupach rüttelte ihn wach. Cai Tuam brummte und schlug die Augen auf.
    »Wir haben Bescheid aus Braunschweig«, sagte Raupach, »Ihr müßt verschwinden. Custodis hat alle Vollmachten dieser Welt.«
    Der Ire blinzelte in die durch eine Maueröffnung einfallende Sonne. »Wohin soll ich gehen?«
    »In die Hütte dieser Anna.«
    »Ich soll mich verstecken?«
    »Wißt Ihr eine bessere Lösung?«
    Der Ire grinste und sprang aus dem Bett. »Nein. Wenn Custodis den Jungen nicht findet, wird er nach Braunschweig zurückkehren.«
    Raupach runzelte die Stirn und musterte den Iren, der begann, seine Habseligkeiten zusammenzupacken. »Wird er den Jungen nicht finden?« fragte er tonlos.
    Der Ire hielt in der Bewegung inne. »Ich weiß es nicht, Herr. Wie sollte ich es wissen?«
    »Ja«, sagte Raupach mit einem zweifelnden Unterton in der Stimme. »Wie solltet Ihr es wissen.«
    Er wandte sich brüsk ab und ging aus dem Stall.
    Am Abend peitschte der Sturm Regen übers Land. Die Wache auf der Ringmauer hatte sich ganz in den Schutz des Tores zurückgezogen und sah von Norden Wetterleuchten über die Heide zucken. Er sah die Bäume nicht in der Dunkelheit, aber er hörte ihr Ächzen und Rauschen, und dann hallte der erste Donnerschlag aus weiter Ferne herüber.
    Berthold hatte die Laute genommen und zupfte an den Saiten. Die leisen Töne gurrten durch die Halle wie Taubengesang. Alle waren müde und schläfrig. Aber Custodis, der auf seinem Stuhl hing, die Beine von sich gestreckt, wollte sie nicht schlafen gehen lassen. Er war übelster Laune, weil der Ire über Nacht spurlos verschwunden war. In seinem Kopf rumorte es wie in einer Waffenkammer vor dem Turniergang.
    Die Stille machte sie noch träger, der Wein ihre Glieder schwer. Plötzlich richtete Custodis sich auf. »Der Bursche«, sagte er barsch, »Monreals Bursche soll kommen.«
    Jemand ging, den Burschen zu holen. Der hatte schon geschlafen und erschien mit verquollenen Augen. Ein kleiner, vierschrötiger Kerl mit roten Haaren, die ihm wirr ins Gesicht hingen. Er stand linkisch herum, bis Custodis ihn zu sich winkte. »Dein Herr hat einen Brief geschrieben an jenem Abend, bevor er aufbrach. Weißt du, was darin stand?«
    Der Bursche zog die Schultern hoch und trat von einem Bein aufs andere. »Nein, Herr. Aber er war lange fort an diesem Abend, bevor er den Brief schrieb. Er tat das manchmal, ritt in die Umgegend hier, aber an dem Abend blieb er lange weg. Ich hatte Angst, er könne sich verirrt haben.«
    Custodis stützte den Kopf in die Hand. »Wohin ist er geritten?«
    »Ich weiß nicht, Herr. Nach Norden, das ist alles, was ich weiß. Dort liegt ein seltsamer Garten, und weiter in den Wald hinein geht es zum Teufelsstein.«
    »Was ist das für ein Stein?«
    Der Bursche zögerte.
    »Heraus damit!« schnauzte Custodis ihn an.
    »Der Stein ist

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