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Die Runenmeisterin

Die Runenmeisterin

Titel: Die Runenmeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Groß
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alt, Herr, früher trafen sich dort die Leute, um zu beten.«
    Custodis lachte grimmig. »Um zu beten? Nur Heiden beten Steine an. Aber was hatte Monreal damit zu tun?«
    Der Bursche schüttelte nur stumm den Kopf. Custodis schickte ihn wieder hinaus und wandte sich an Raupach. »Was hat es mit diesem Stein auf sich?«
    Berthold griff wieder in die Saiten seiner Laute, und eine tiefe Dissonanz erklang.
    »Ich weiß es nicht«, sagte Raupach und warf Berthold, der die Laute zur Seite legte, einen warnenden Blick zu.
    »Überall stehen solche Steine«, meinte Custodis nachdenklich, »manche sind so schwer, daß man sie nicht von der Stelle bewegen kann.«
    »Zu diesem Stein ist Monreal sicher nicht geritten«, warf Berthold ein, »aber im Norden stehen drei, vier Lehenshöfe. Vielleicht wollte er dahin.«
    »Mitten in der Nacht?« Custodis gähnte, griff nach einem Krug mit Wein und schenkte sich selber nach.
    »Da liegt des Rätsels Lösung«, brummte er leise vor sich hin. »In dem Brief oder vielmehr dessen Inhalt und diesem seltsamen Ritt. Aber niemand hat gesehen, wohin der Mann geritten ist, und der Brief ist verschwunden.«
    Er trank seinen Becher leer und stand auf. Er nickte in die Runde und ging mit wuchtigen Schritten durch den Saal.
    Der Soldat auf der Ringmauer war eingeschlafen. Sein Körper war zur Seite gesunken. Das Wetterleuchten zog weiter, an der Heide vorbei, und der letzte Donner verklang.
    Maria stieg die schmale Holztreppe zum Gewölbe hinunter. Feuchte, klamme Luft hing unter der niedrigen Decke. Am Ende des Ganges brannte eine Fackel. Ein Soldat saß dösend auf seinem Stuhl und schrak hoch, als er ihre Schritte hörte.
    »Ich möchte zu Anna«, sagte Maria. Der Soldat zögerte, stand dann auf und nahm einen Schlüssel vom Haken an der Wand. Er steckte ihn ins Schloß und zog die knarrende Tür auf.
    Anna lag noch immer auf dem Stroh. Der Soldat brachte eine zweite Fackel, steckte sie in die Halterung und schloß die Tür. Die Frau auf dem Stroh drehte sich um und schloß die Augen vor dem grellen Licht der Flamme.
    »Hat man dir zu essen gebracht?« fragte Maria und kam näher.
    Anna nickte. »Wo ist mein Junge?«
    »Fort. Er ist geflohen.«
    Anna öffnete die Augen. »Ist er in Sicherheit?«
    »Ich glaube, ja.« Maria raffte ihre Röcke zusammen und setzte sich auf das staubige, verfilzte Stroh. »Ich werde dafür sorgen, daß man dich freiläßt. Aber du mußt mir ein paar Fragen beantworten.«
    Anna richtete sich auf und sah auf ihr verbundenes Handgelenk herunter.
    Maria nahm sanft ihre Hand. »Ich habe gestern mit der Runenmeisterin gesprochen. Dieser Offizier ist an dem Abend, bevor er getötet wurde, nach Norden geritten. Dort, wo der alte Stein steht, dort, wo der Garten der Runenmeisterin ist. Was hat er da gemacht? Wenn du etwas weißt, dann sag es mir.«
    Anna zog ihre Hand zurück und starrte in die Flamme. »Ihr werdet meinen Jungen schützen?«
    »Wenn er unschuldig ist.«
    »Ich weiß es nicht. Er ritt an diesem Morgen eine Stunde vor Sonnenaufgang fort. Er sagte zu Genno, dem Freibauern.«
    Maria nickte. »Aber er könnte lügen. Euer Junge hätte sich im Wald verstecken, dem Offizier auflauern und ihn dann töten können.«
    »Er ist ein miserabler Schütze«, lächelte Anna, »aber Haß kann Flügel verleihen.«
    »Haß?« wiederholte Maria leise, »warum haßte er Monreal? Woher kannte er ihn überhaupt?«
    Anna schwieg. Draußen auf dem Gang hallten die Schritte des Soldaten wider, der auf und ab ging. »Die weise Frau hat mit Euch gesprochen?«
    »Ja.«
    Sie sah Marias gehetzten Blick und nickte. »Sie hätte Euch in Ruhe lassen sollen. Nicht alles, was man sieht, wenn man sich verliert, ist die Wahrheit. Ihr seid eine aufrichtige Christin und dürftet von alledem nichts wissen. Sie wird alt, sie ist sich der Gefahr nicht bewußt.«
    »Ich werde niemanden verraten«, sagte Maria leise, »aber ich will wissen, wo Monreal gewesen ist. Mir geht es nur darum.«
    »Eben, Herrin. Der Offizier war nicht im Garten, er war im Wald beim Teufelsstein. Aber mehr kann ich nicht sagen. Ich war nicht dort, ich gehe schon lange nicht mehr hin. Aber mein Junge war dort.«
    Maria wußte, die Frau hatte schon zuviel gesagt und würde nun schweigen. Sie stand auf und klopfte an die Tür. Der Soldat öffnete. »Laßt ihr die Fackel in der Zelle«, bat sie ihn. Er zögerte wieder. Ließ sie schließlich achselzuckend heraus und verschloß die Tür.
    Es gab nur eine Möglichkeit, die Wahrheit

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