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Die Runenmeisterin

Die Runenmeisterin

Titel: Die Runenmeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Groß
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offen«, begann Berthold und setzte sich, »ohne Umschweife. Maria reitet jeden Morgen fort und kommt erst spät wieder zurück. Ich habe nicht mit ihr darüber gesprochen, aber ich mache mir Sorgen. Gundeline gegenüber soll sie gesagt haben, sie reite zu den Armen. Welche Armen, Cai? Zu welchen Armen reitet sie?«
    Cai Tuam blieb hinter dem Stuhl stehen. Über Maria reden war das letzte, was er wollte. »Was meint Ihr, Herr?« fragte er vorsichtig.
    Berthold schlug mit der Faust auf den Tisch. »Geht sie zu dieser verfluchten Kräuterhexe, dieser Anna? Was macht sie da? Sie war immer eine gute Christin. Ich werde diese Weiber aufhängen lassen, wenn sie meiner Frau Grillen in den Kopf setzen.«
    Cai beugte sich vor. »Die Frau ist keine Hexe, Herr. Wäre sie eine, dann bin ich ein gottverdammter Hexer.«
    »Ja, ja, schon gut«, knurrte Berthold, »ich wollte Euch nicht beleidigen. Aber wohin geht Maria? Was macht sie? Reitet ihr nach, Cai, findet heraus, wohin sie reitet.«
    Der Ire stutzte. Er wollte sich von ihr fernhalten, nicht ihr hinterherreiten. »Sucht Euch einen anderen, Herr«, sagte er gereizt. »Ich bin nicht die Zofe Eurer Gemahlin.«
    »Cai, bitte.« Berthold stand auf. »Wen sollte ich sonst schicken? Meine Ehre steht auf dem Spiel. Ich möchte nicht, daß andere davon erfahren, wenn sie Dinge tut, die sie nicht tun dürfte. Man sagt, diese Anna legt die Runen, sie deutet die Zukunft, die mischt nicht nur ein paar Kräuter zusammen …«
    Cai Tuam saß in der Falle. Sein Herr würde nicht ablassen, ihn zu bitten, und wenn er sich weigerte, würde er ihm befehlen. Und er hatte zu gehorchen. »Gut«, sagte er schließlich und warf sich seinen Umhang über die Schultern. »Ich reite ihr nach.«
    Berthold seufzte erleichtert. »Ich werd’s Euch nicht vergessen, Ire.«
    Am nächsten Morgen ließ sich der Ire vom Dienst befreien und postierte sich an der Mauer neben dem Tor, das Maria passieren mußte. Er brauchte nicht lange zu warten. Nach dem Frühstück bestieg sie ihre Stute und lenkte sie aus dem Tor auf dem schmalen Pfad der Heide entgegen. Es wirkte wie Marias täglicher Ritt. Bis zum Wald und wieder zurück.
    Aber sie ritt weiter. Die Stute fiel in einen leichten Trab, bewegte sich zwischen Kiefern und Föhren am Waldessaum. Cai Tuam ließ die Frau weit vor sich. Oft sah er sie nicht einmal. Doch die Spuren im Sand sprachen eine beredte Sprache. Sie führten zu der Hütte des Kräuterweibs. Vor der Hütte hatte Maria ihr Pferd stehengelassen und war hineingegangen.
    Der Ire saß im Schatten der Bäume auf seinem Hengst und starrte zu der Hütte hinüber. Der Hengst schnappte nach den Blättern einer Ulme. Was tat sie da? Ließ sie sich das Orakel legen? Quälte sie das arme Weib mit ihren bohrenden Fragen über den Tod von Monreal?
    Cai wartete eine Weile und nahm dann die Zügel wieder auf. Er wußte jetzt, was er wissen wollte. Alles andere war die Angelegenheit seines Herren. Sollte der die Sache beenden. Der Ire wollte sein Pferd gerade wenden, als er plötzlich den Jungen eintreffen sah. Der kam aus dem Wald und betrat die Hütte. Cai Tuam stieg ab. Er war neugierig geworden. Er fesselte dem Hengst die Vorderbeine und schlich geduckt zur Hütte herüber. Dann spähte er durch das niedrige, winzige Fenster, und was er sah, ließ ihm den Atem stocken.
    Maria stand neben der Feuerstelle, der Junge vor ihr. Er beugte sich zu ihr herüber und küßte sie. Ein flüchtiger Kuß, flüchtige Hände, die unerfahren waren. Er wollte ihr das Kleid aufschnüren, verhedderte sich mit den Bändern. Maria kicherte leise. Schälte sich selbst aus dem Tuch, das ihr vor die Füße fiel.
    Cai Tuam versuchte, seine Gefühle zu beherrschen. Suchte einen logischen Gedanken in dem Wirrwarr des unbändigen Zorns, der ihn plötzlich überkam, der wuchs und wuchs. Rächte sie sich auf diese Weise an ihm? Oder an Berthold? Der Ire zwang sich hinzusehen.
    ›Sieh genau hin‹, flüsterte der kleine Teufel in seinem Kopf. Er sah ungeschickte Männerhände, die sich nicht auskannten und ihrer Erregung nicht Herr wurden. Und er sah Marias entblößten Leib. Weiße Haut, an die nie ein Sonnenstrahl gekommen war, und weizenblondes Haar, das auf den Rücken fiel.
    Cais erster Impuls war wegzugehen. Sie hatte, was sie wollte. ›Unsinn‹, lachte der Teufel in seinem Kopf, ›dieser Grünschnabel da ist nicht, was sie will. Sie wird seiner bald überdrüssig werden. Und dann denkt sie wieder an dich. Sie wird dich nie mehr

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