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Die Runenmeisterin

Die Runenmeisterin

Titel: Die Runenmeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Groß
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unsichtbares Schwert in der Hand. Sie schwieg und betete, meditierte und erfüllte mit ihrer engelsüßen Stimme die kleine Holzkirche. Ob Gott spürte, daß ihre Ergebenheit erzwungen und kalt blieb?
    Draußen vor den Mauern tobten Leben und Krieg, doch sie betete für ihre sündige Seele, die sich nicht zähmen ließ, und das unsichtbare Schwert wollte ihr auch beim Beten nicht aus der Hand fallen.
    Um die Stadt Lübeck hatte sich ein eiserner Ring geschlossen. In der Travemündung lagen schwere dänische Kriegsschiffe, und auf der Landseite stand das kaiserliche Heer. Der Kaiser verhandelte mit dem pommerschen Fürsten Borislaw und dem Obduritenfürsten von Werle. Dann sandten die Lübecker einen Kurier ins kaiserliche Lager, der meldete, der Lübecker Bischof bitte um eine Unterredung mit Barbarossa.
    Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer im Lager, und jeder wußte, was die Lübecker veranlaßt hatte, ein solches Angebot zu machen. Die Stadt hatte nicht genügend Vorräte, um eine längere Belagerung durchzustehen, und suchte nach einer Möglichkeit, nicht zwischen Herzog und Kaiser zerrieben zu werden wie zwischen zwei Mühlsteinen. Unter Raupachs Leuten herrschte Trauer, denn der Herr war noch immer bewußtlos.
    Am Morgen nach der bösen Nachricht über den Sturz vom Pferd war der Kaiser in Raupachs Zelt erschienen und hatte alle anderen hinausgescheucht. Nachdenklich vor Raupachs Lager stehend murmelte er nur kopfschüttelnd: »Vom Pferd gefallen.« Ein guter Mann, ein vortrefflicher Soldat, der ihm immer treu gewesen war, der von seinem Pferd fällt wie ein ungeschickter Bauer. Der Kaiser drehte sich um und rief nach Van Neil, der vor dem Zelt gewartet hatte.
    »Was ist das für eine sonderbare Geschichte?« fragte der Kaiser ziemlich barsch. »Raupach vom Pferd gefallen, Maesfeld fast verblutet, und das Weib ins Kloster gebracht. Welcher Fluch liegt auf dieser Sippe?«
    Van Neil nickte nachdenklich. »Das habe ich mich auch schon gefragt, Euer Gnaden. Falls Raupach sterben sollte, ist nur die Herrin Gundeline übrig, und die ist fast noch ein Kind.«
    »Falls es zum Schlimmsten kommt, muß sie heiraten, und zwar bald. Ich brauche zuverlässige Vasallen in Sachsen, jetzt nötiger denn je. Die Stadt hält sich nicht mehr lange. Heute nachmittag werde ich den Bischof empfangen …« Ein schelmisches Lächeln überflog sein Gesicht. »Die Dänen machen ihnen zu schaffen, sie haben selbst die Angler an der Trave verscheucht.«
    Er ging mit schweren Schritten durch das Zelt, schlug den Eingang zur Seite und drehte sich noch einmal zu Van Neil um. »Vielleicht kommt alles anders …«
    Am Nachmittag erschien der Lübecker Bischof vor dem Kaiser. Er hielt eine lange Rede, in der er Friedrich davon zu überzeugen suchte, daß die Lübecker keine Schuld an der ganzen üblen Lage hätten, daß sie dem Herzog immer die Treue gehalten hätten, weil er sie immer gut behandelt habe, und daß sie nun für ihre Treue bestraft werden sollten. So ging das eine ganze Weile fort, bis er damit endete, daß die Stadt Lübeck – man solle doch in dubio pro reo – auf jeden Fall keine weitere Belagerung durchhalten könne. Die Lübecker wollten einen Kurier zum Herzog schicken, um ihn zu fragen, ob er die Stadt weiterhin als die seine ansehe, und wenn ein Ja seine Antwort sei, so müßten sie sich wohl oder übel fügen und sich dem Kaiser weiterhin widersetzen.
    Der Kaiser hörte sich die artig vorgetragene Rede schweigend an. »Durch die Ächtung des Herzogs gehört Uns die Stadt ohnehin«, sagte er ein wenig herablassend, aber weil er den Mut dieser loyalen Menschen respektierte, wollte er eine Gesandtschaft zu seinem Vetter billigen. Sollten jedoch nach der Rückkehr der Gesandtschaft die Lübecker noch immer ihre Tore nicht öffnen, würde er, Barbarossa, Kaiser von Gottes Gnaden, die Stadt ihrer sämtlichen Rechte berauben und Schlimmeres.
    Der Bischof verstand die drohenden Worte des Kaisers. Er bestieg sein Pferd und ritt in die Stadt zurück. Im Lager wartete man nun untätig auf die Rückkehr der Gesandten. Als sie endlich zurückkamen, berichteten sie, der Herzog habe befohlen, die Stadt dem Kaiser zu übergeben. Es begannen endlose Verhandlungen, denn die Räte der Stadt wollten sich von ihren Rechten nichts nehmen lassen und versuchten, trotz ihrer bedrängten Lage, das Schlimmste zu verhindern. Sie weigerten sich noch immer, die Stadttore zu öffnen, und drängten darauf, sämtliche bis zu diesem Zeitpunkt

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