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Die Runenmeisterin

Die Runenmeisterin

Titel: Die Runenmeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Groß
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erworbenen Rechte behalten zu dürfen. Der Kaiser zeigte sich milde und verlieh der Stadt die Reichsunmittelbarkeit.
    Im August öffnete man ihm dann endlich die Tore. Das Volk säumte die Straßen, denn ihm war es gleich, wer es regierte, und wäre es der Teufel selbst. Für sie zählte nur ein voller Bauch, ein langes Leben und ein prall mit Münzen gefüllter Beutel; und so ritt der Kaiser unter Jubel zum Rathaus, wo man ihn mit allen Ehren empfing.
    Im Lager feierte man den Sieg mit Dänen und Pommern und Wenden. Der Schein des Feuers war selbst von den Schiffen auf dem Meer aus noch zu sehen. Ochsenwagen brachten geschlachtete Schweine und Hammel heran. Riesige Fässer türmten sich auf den Karren und unablässig ergoß sich Wein und Bier in die Becher der Soldaten. Musiker spielten auf Fiedeln, Lauten und Schellen, und selbst des Kaisers Hofmusikant war dabei, der schlug den Takt auf seiner Trommel.
    Die dänischen Seeleute waren bald so betrunken, daß sie mit den Pommern in Streit gerieten. Mit Äxten und Beilen gingen sie aufeinander los, und die Kaiserlichen hatten alle Mühe, sie auseinanderzuhalten. Dazu spielten die Musikanten, und die Frauen lachten, denn jetzt kam das Fest erst richtig in Fahrt. Die Musik wurde immer lauter, immer schneller. Die Trommel hallte durch das Lager wie Donnerschläge, die Fiedel ächzte und stöhnte, die Laute spielte ein Lied aus dem fernen Arabien. Dänen und Pommern setzten sich endlich versöhnt gemeinsam ans Feuer und schlugen den Takt mit ihren Langschwertern gegen die eisernen Schilde.
    Plötzlich löste sich aus der Gruppe der sitzenden Frauen eine, stand auf, schlang sich ein Tuch um die vollen Hüften und trat in die Mitte. Langes schwarzes Haar fiel ihr bis zur Taille, ein grüner Zigeunerrock begann zu fliegen, als sie sich im Rhythmus der Trommel im Kreise drehte. Sie warf den Kopf mit schnellen Bewegungen hin und her, daß ihr das Haar wie Wellen um die Schultern peitschte. Die Männer feuerten sie an, klatschten, sangen, manche standen auf. Sie lachte nur und zog mit der Hüfte Kreise, Schlangenkreise, große Kreise, kleine Kreise, Kreise nach vorn und welche nach hinten. Sie bewegte ihre Arme wie die anmutigen Schwingen von Raubvögeln und malte damit Bilder in die Luft. Dann lief sie mit den Hüften zuckend an den Männern vorbei und lachte ihnen aus dunklen Augen ms Gesicht.
    Die Trommel wurde noch schneller, die Laute klagte, die Geige ergoß ganze Kaskaden von schrägen Tönen über die Menge. Die Tänzerin stand jetzt neben der Trommel und schüttelte ihre Hüften, zitterte bald von Kopf bis Fuß wie in einem heftigen Fieber und ging so zitternd und schüttelnd im Kreis herum. Dann erklang der letzte Akkord, dem Fiedler waren zwei Saiten gerissen. Die Tänzerin sank schweißnaß zur Erde, und jemand kam mit einer Decke, die er ihr überlegte. Eine zweite Frau erschien mit einem glitzernden Tuch und ging damit von einem zum anderen. Die Männer warfen ihr Münzen hinein, oder wenn sie nichts anderes hatten, drückten sie ihr einen Kuß auf die Wange.
    »Wer ist die Tänzerin?« fragte Van Neil einen fränkischen Soldaten, der neben ihm saß. Der grinste.
    »Eine Konkubine des Kaisers. Aber nehmt Euch in acht, sie hat ein scharfes Messer, und ich kenne einen, der bereut noch heute, ihre Bekanntschaft gemacht zu haben.«
    Die Tänzerin war aufgestanden und öffnete das Tuch mit den Münzen. Die Männer hatten sich wieder auf den Boden gesetzt, selbst die wilden Dänen, von denen manche statt eines Kreuzes Thors Hammer um den Hals trugen. Die Frau ging von Feuer zu Feuer, bedankte sich und ging schließlich in die Richtung des Wagenkreises der Frauen.
    Die Musiker machten eine Pause und nahmen eine Erfrischung zu sich, bis der mit der Laute wieder leise zu spielen begann.

ALGIZ
    Ï
    »Ein sechzehntes kann ich,
wenn von besonnener Maid ich Liebe und Lust begehr:
dem schweißarmigen Weib wend ich den Sinn
und wandle den Willen ihr.«

Der Ire war aus Raupach ins Lager zurückgekehrt. Er hatte zuviel getrunken. Für ihn gab es nichts zu feiern, denn sein Herr lag im Sterben, und er selbst hatte sich in den teuflischen Fängen der alten Runenmeisterin fangen lassen. Wie ein grüner Junge. Und jetzt war auch Rosalie fort. Er wollte endlich vergessen, und er wollte, daß die Welt ihn vergaß. Er betete zu Gott und suchte die alten Götter aus seinem Hirn zu verbannen. Am Morgen hatte er mit Van Neil gesprochen und ihm vage angedeutet, daß er etwas über Monreals

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