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Die russische Gräfin

Die russische Gräfin

Titel: Die russische Gräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Mut. Uns wird nicht gefallen, was sie gesagt hat, aber wir werden verstehen, daß sie sich selbst überwinden mußte, und dafür werden wir ihr unseren Respekt zollen.« Sie sah ihm herausfordernd in die Augen.
    »Das hoffe ich auch«, räumte er ein. Erneut schwappten warme Gefühle in ihm hoch. Mit welcher Leidenschaft diese Frau doch kämpfte! Dabei hatte sie Zorah nie gesehen und wußte bis auf diese eine Episode absolut nichts über ihr Leben! Es war Rathbone, der sie zum Nachdenken angeregt hatte und dessen Zukunft ihr angst machte. Bislang hatte er nie gemerkt, wie gern sie ihn mochte. Rathbone war ihm Hester gegenüber immer ein bißchen distanziert, bisweilen sogar herablassend vorgekommen. Und er wußte doch, wie sehr sie es haßte, von oben herab behandelt zu werden. Er hatte ihren Zorn ja selbst einmal zu spüren bekommen, als er zu arrogant gewesen war. Plötzlich fühlte er sich schrecklich einsam.
    »Das müssen Sie allerdings!« Hester klang, als spräche sie sich selbst Mut zu. »Sie werden doch den Beweis liefern können, oder?« fuhr sie nervös fort. Zwischen ihren Brauen bildete sich eine steile Falte. »Es war Gift…«
    »Natürlich war es Gift. Man hätte es wohl kaum für einen natürlichen Tod gehalten, wenn er erschlagen oder erschossen worden wäre.«
    Sie ging auf seinen Sarkasmus nicht ein. »Und wie?«
    »In seinem Essen oder seiner Medizin, nehme ich an. Ich fahre heute abend wieder nach Wellborough Hall und werde noch einmal gezielt nachfragen.«
    »Ich wollte doch nicht wissen, wie er vergiftet wurde!« blaffte sie ihn an. »Selbstverständlich war das Gift in seiner Nahrung. Ich wollte fragen: Wie wollen Sie es beweisen? Wollen Sie die Leiche ausgraben und untersuchen lassen? Wie wollen Sie das durchsetzen? Die Gegenseite wird doch wohl alles versuchen, um es zu verhindern. Diese Angelegenheit berührt die meisten sehr stark.«
    Nun, Monk hatte selbst noch keine Ahnung, wie er es beweisen wollte. Er war genauso verwirrt und besorgt wie Hester, nur waren seine Gefühle Rathbone gegenüber nicht so persönlich wie die ihren, was freilich nicht hieß, daß es ihm nicht leid täte, wenn Rathbone in Ungnade fiele. Sie waren ja Freunde und hatten gemeinsam viele, viele Schlachten gewonnen, einige davon unter den schlechtesten Vorzeichen. Stets hatten sie an die gleichen Werte geglaubt und einander blind vertrauen können.
    »Ich weiß«, sagte er sanft. »Ich hoffe, ich bringe sie so weit, daß sie mir die Wahrheit sagen. Dann bliebe uns die Exhumierung erspart, die sich ansonsten angesichts der politischen Brisanz des Falles nicht vermeiden ließe. Ein bloßer Verdacht kann enormen Schaden anrichten. Da nimmt man viel in Kauf, um das zu vermeiden.«
    Ihre Blicke begegneten einander. Schlagartig verrauchte Hesters Zorn. »Kann ich helfen?«
    »Ich wüßte nicht, wie, aber sobald mir etwas einfällt, sage ich es Ihnen«, versprach er. »Über Friedrich und Gisela haben Sie nicht viel herausgefunden, oder? Ach, was frage ich Sie da? Wenn Sie etwas wüßten, hätten Sie es mir ja schon erzählt.« Ein mattes Lächeln flackerte auf seinen Lippen. »Sorgen Sie sich nicht allzusehr. Rathbone hat schon ganz andere Fälle aus dem Feuer gerissen. Sie trauen ihm nur zu wenig zu.« Sein Optimismus klang in seinen eigenen Ohren gräßlich aufgesetzt, aber er wollte sie doch nur trösten, selbst wenn es nicht mehr als eine Floskel war. Es tat ihm um ihrer selbst willen weh, sie so nervös zu sehen. Ihn ließ Rathbones Schicksal ja auch nicht kalt – bei aller Rivalität und Wut empfand er doch auch Freundschaft für ihn –; Hester dagegen dachte nur an Rathbone, sorgte und grämte sich und nahm andere, ihn zum Beispiel, kaum noch wahr, außer als möglichen Rettungsanker. »Er wird bestimmt tausend nützliche Informationen aus den Zeugen herauskitzeln«, brummte er. »Und wir wissen genug, um alle, die damals in Wellborough Hall zu Gast waren, zu einer Aussage zu zwingen.«
    »Wirklich?« Ihre Miene hellte sich auf. »Aber natürlich! Sie haben ja recht! Ich war so mit seiner katastrophalen Fehlentscheidung beschäftigt, daß ich ganz vergessen hatte, wie brillant er im Gerichtssaal auftritt.« Sie stieß einen tiefen Seufzer aus und lächelte ihn an. »Danke, William.«
    Was hatte sie doch alles mit so wenigen Worten verraten: daß sie nicht nur um Rathbones Verwundbarkeit wußte, sondern auch bereit war, ihn zu schützen; daß sie ihn bewunderte und wieviel er ihr bedeutete. Noch dazu hatte sie

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