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Die russische Gräfin

Die russische Gräfin

Titel: Die russische Gräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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würden. Das sind handfeste Gründe, die jedem ohne weiteres einleuchten, auch wenn der Vorwurf, wie Sie sagen…, ungeheuerlich ist.«
    Wellborough starrte Monk an, als wäre er in einer Schwefelwolke aus der Erde gefahren.
    Mit einer gewissen Genugtuung fuhr Monk fort: »Die andere nicht minder plausible Möglichkeit besteht darin, daß nicht Friedrich das Opfer sein sollte, sondern Gisela. Er ist vielleicht aufgrund eines Mißgeschicks gestorben. In diesem Fall kommen mehrere Leute in Frage, denen an ihrem Tod gelegen haben könnte. Zuallererst Graf Landsdorff, der Bruder der Königin.«
    »Das…«, fing Wellborough an und verstummte. Aus seinem Gesicht wich jede Farbe. Damit stand für Monk fest, daß er auch schon damals bestens über die Hintergründe informiert gewesen war.
    »Oder Baronin Brigitte von Arlsbach«, setzte Monk unbarmherzig nach. »Und leider auch Sie.«
    »Ich? Ich interessierte mich doch gar nicht für die Außenpolitik! Von mir aus kann in Felzburg regieren, wer will. Ob es in einem vereinigten Großdeutschland aufgeht oder für immer einer von zig Zwergstaaten bleibt, ist mir völlig egal!«
    »Sie stellen Waffen her«, erinnerte ihn Monk. »Ein Krieg in Europa würde Ihnen einen lukrativen Markt eröffnen…«
    »Das ist eine Frechheit, Sir!« brauste Wellborough auf. Sein Kiefer war vorgeschoben, seine Lippen kaum noch zu sehen.
    »Unterstellen Sie mir das außerhalb dieses Zimmers, und wir sehen uns vor Gericht wieder!«
    »Ich habe Ihnen nichts unterstellt. Ich habe lediglich die Fakten zusammengefaßt. Aber Sie können davon ausgehen, daß Außenstehende genau diesen Schluß ziehen werden, und Sie können nicht ganz London verklagen.«
    »Ich kann den ersten verklagen, der das laut sagt!«
    Monk ließ sich nicht einschüchtern. Er hatte längst Oberwasser gewonnen. »Gewiß. Aber es wäre teuer und nutzlos. Es gibt nur eine Möglichkeit, einen solchen Verdacht auszuräumen – man muß ihn widerlegen.«
    Wellborough stierte ihn an.
    »Ich kann Ihrem Argument folgen, Sir«, sagte er schließlich.
    »Ihre Methode und Ihr Verhalten empfinde ich nach wie vor als gleichermaßen widerwärtig, aber ich kann mich den Gegebenheiten nicht verschließen. Sie dürfen jeden Bewohner dieses Hauses befragen, und ich werde alle persönlich anweisen, Ihnen umgehend und wahrheitsgemäß zu antworten…, unter der Voraussetzung, daß Sie mir am Ende jedes Tages detailliert Bericht über Ihre Ergebnisse erstatten. Sie werden hier wohnen und Ihre Nachforschungen anstellen, bis Sie sie zu einem zufriedenstellenden und unwiderlegbaren Schluß bringen. Haben wir uns verstanden?«
    »Voll und ganz«, antwortete Monk und deutete eine Verbeugung an. »Ich habe mein Gepäck dabei. Wenn mich jemand zu meinem Zimmer bringt, werde ich sofort beginnen. Die Zeit ist knapp.«
    Zähneknirschend griff Wellborough nach der Klingel.
    Als erstes befragte Monk Lady Wellborough, nicht nur, weil die Höflichkeit dies erforderte, sondern weil er sich von ihr am meisten erwartete. Sie empfing ihn im Morgenzimmer, das im Louis-XIV-Stil eingerichtet war und für Monks Geschmack zuviel Gold aufwies. Das einzige, was ihm wirklich gefiel, war eine riesige Vase voller Chrysanthemen, die den Raum mit einem erdigen Geruch erfüllten.
    Emma Wellborough kam herein und schloß die Tür hinter sich. Sie trug ein dunkelblaues Morgenkleid, das normalerweise vorzüglich zu ihren blonden Haaren gepaßt hätte, aber heute war sie zu blaß. Die Neuigkeit hatte sie zweifellos verunsichert. Ihre Augen flackerten besorgt.
    »Mein Mann sagt mir, es sei nicht auszuschließen, daß Friedrich ermordet wurde«, erklärte sie ohne Umschweife. »Und daß Sie gekommen sind, um noch vor dem Prozeß herauszufinden, wer es war. Ich verstehe überhaupt nichts mehr, aber Sie müssen sich täuschen! Das ist ja zu schrecklich!«
    Monk hatte sich auf ein unerfreuliches Gespräch gefaßt gemacht, weil er ihren Mann ablehnte und verachtete, aber zu seiner Überraschung mußte er feststellen, wie sehr sie sich von ihm unterschied. Sie hatte sich ihm eben angepaßt, sei es aufgrund der Umstände, mangels besseren Wissens oder weil ihre Abhängigkeit von ihm keinen anderen Weg zuließ. Wie auch immer, dieses Leben entsprach weder ihrem Willen noch ihrer Natur.
    »Leider geschehen bisweilen die schrecklichsten Dinge, Lady Wellborough«, antwortete er fast emotionslos. »Prinz Friedrichs Rückkehr in seine Heimat hätte weitreichende Folgen gehabt. Vielleicht waren Sie

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