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Die russische Gräfin

Die russische Gräfin

Titel: Die russische Gräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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faszinierte sie, und wäre es nicht ein unverzeihlicher Bruch der Etikette gewesen, hätte sie ihn den ganzen Abend über sein Leben befragt.
    Brigitte von Arlsbach, die laut Rathbone ihrem Land zuliebe Prinz Friedrich hätte heiraten sollen, saß direkt neben Monk. Sie sagte sehr wenig. Sie war eine große Frau mit breiten Schultern, mächtigem Busen und außergewöhnlich zarter Haut. Monk glaubte bei ihr trotz allen Reichtums und ihrer Beliebtheit eine tiefe Trauer zu spüren.
    Beim letzten Gast handelte es sich um Florent Barberini, einen entfernten Cousin von Friedrich, in dessen Adern zur Hälfte italienisches Blut floß. Er sah wirklich so gut aus, wie man es bei einer solchen Abstammung erwartete und bewies in allem Eleganz und totales Selbstvertrauen. Er hatte kräftiges gewelltes Haar, buschige Augenbrauen und dunkle Augen. Sein Mund verriet zugleich Humor und Sinnlichkeit. Und er flirtete mit allen drei Damen in seiner Umgebung. Wahrscheinlich war er nichts anderes gewöhnt. Monk war er auf Anhieb unsympathisch.
    Ihr Gastgeber, Lord Wellborough, saß am Kopfende des sieben Meter langen Eichentisches. Er war vielleicht etwas kleiner als der Durchschnitt, doch wie um ihm mehr Größe zu verleihen, ragte sein verhältnismäßig kurzes blondes Haar steil nach oben. Er hatte scharfe, klare graublaue Augen, kräftige Wangenknochen und einen extrem schmallippigen Mund. In Ruhe wirkte sein Gesicht hart und verschlossen.
    Der blau und rosa gestrichene Speisesaal selbst war nichts weniger als prächtig; neben der langen Tafel waren da noch drei Sideboards, alle aus massiver Eiche, sowie ein gewaltiger Kamin, in dem ein munteres Feuer prasselte.
    Der erste Gang wurde aufgetragen; die Gäste konnten zwischen Fadennudel und Fischcremesuppe wählen. Monk entschied sich für letztere und fand sie vorzüglich. Dann folgten Lachs und gegrillter Breitling. Monk nahm den Lachs. Er war herrlich rosa und zart, daß er fast von der Gabel fiel. Als Monk sah, wieviel auf der Platte liegenblieb, überlegte er unwillkürlich, ob man es später den Bediensteten geben würde. Bestimmt waren alle anderen Gäste mit der angemessenen Anzahl von Butlern, Zofen und womöglich auch Reitknechten und Kutschern gekommen. Auf die Frage, warum er, Monk, keinen Butler dabei habe, hatte Stephan geistesgegenwärtig geantwortet, der arme Kerl sei über Nacht krank geworden. Was immer sich die anderen gedacht haben mochten, keiner war so unhöflich gewesen, sich näher zu erkundigen.
    Dem Fisch folgten mit Curry gewürzte Eier, Bries und Kaninchenfleischbällchen.
    Während des ganzen Essens stand Evelyn im Mittelpunkt für Monk die Chance, sie ausgiebig zu betrachten. Sie war entzückend, besaß sie doch die Offenheit und den unschuldigen Schalk eines Kindes, gepaart mit der Wärme und dem Witz einer klugen Frau. Die schamlosen Schmeicheleien Florents parierte sie anmutig mit Scherzen, ohne ihn je vor den Kopf zu stoßen. Sollte sich Klaus daran stören, so verriet seine Miene nichts davon. Ohnehin schien ihn sein Gespräch mit Wellborough, das sich um alle möglichen gemeinsamen Bekannten drehte, mehr zu interessieren.
    Dann wurden die Teller für die Vorspeisen abgeräumt und ein Entremets serviert – eisgekühlter Spargel. Der ganze Tisch war in ein funkelndes Meer aus Kristall getaucht. Die Lichter unzähliger Kerzen und der Kronleuchter spiegelten sich in dem geschliffenen Glas in allen Richtungen wider und ließen das silberne Besteck, die Gewürzstreuer und die Kelche schimmern. Dazu verströmten die Blumen aus dem Gewächshaus, die den Tisch mit den zur Zierde ausgelegten Früchten übersäten, einen betörenden Duft.
    Nur ungern wandte sich Monk von Evelyn ab, um die übrigen Gäste diskret zu beobachten. Bei Friedrichs Sturz, seiner scheinbaren Genesung und seinem Tod waren sie alle dagewesen. Was hatten sie gesehen oder gehört? Wie bewerteten sie die Ereignisse? Für wieviel Wahrheit waren sie bereit und um welchen Preis? Diese Fragen galt es zu klären. Er war nicht gekommen, um exquisit zu speisen, den Gentleman zu spielen und bei seinem Drahtseilakt vor dem Hochadel tausend Ängste auszustehen. Aber nicht um seinen Absturz ging es. Zorahs Ruf, ihre ganze Lebensart standen auf dem Spiel. Und auch Rathbones Ehre. Er stand bei ihm im Wort. Jetzt mußte er ihm helfen. Die Tatsache, daß das so gut wie unmöglich war, tat da nichts mehr zur Sache. Es war ja durchaus möglich, daß Prinz Friedrich ermordet worden war. Aber außer Gisela

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