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Die russische Gräfin

Die russische Gräfin

Titel: Die russische Gräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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war ganz fasziniert von ihr. Wie allein schon seine Augen leuchteten, als er sie ansah. Und er hat sie immer wieder um ihre Meinung gefragt. Sie vermittelt jedem, mit dem sie spricht, das Gefühl, er sei schrecklich interessant und ihre Aufmerksamkeit gehöre ihm allein. Auch dafür muß man Talent haben.«
    Und sie kann schmeicheln, schoß es Monk in den Sinn. Eine machtvolle Kunst und obendrein eine sehr gefährliche.
    Sie erreichten einen mit weißen Rosen bewachsenen Laubengang. Evelyn schmiegte sich an Monk, damit sie Seite an Seite durchgehen konnten.
    »Und was hielt der Prince auf Wales von Gräfin Zorah?« fragte Monk und überlegte zugleich, warum ihn das eigentlich interessierte. Das war doch völlig belanglos, es sei denn, es gewährte Aufschluß über den Neid der zwei Frauen aufeinander. Sollte er Evelyn nicht besser fragen, wie sie über Gisela dachte?
    Und wieviel von all dem, was über Gisela gesagt wurde, im Grunde mit Neid zu tun hatte?
    »Ich bin mir offen gesagt gar nicht sicher, ob er sie überhaupt bemerkt hat«, sagte Evelyn mit fröhlich funkelnden Augen. Sie hatte ein vernichtendes Urteil gesprochen und war sich dessen auch bewußt.
    »Störte es denn Friedrich nie, daß ständig sie im Mittelpunkt stand?« fragte Monk. Sie hatten mittlerweile die Rosen verlassen und flanierten zwischen allerdings längst verblühten Schwertlilien.
    Evelyn lächelte. »O ja, manchmal konnte er ganz schön eingeschnappt sein. Aber sie wickelte ihn jedesmal um den Finger. Sie brauchte nur lieb zu ihm zu sein, und schon vergaß er alles. Er war ja so verliebt in sie. Sogar nach zwölf Jahren noch. Er vergötterte sie.« Sie spähte zwischen den grünen Blättern der Schwertlilien hindurch in den Rosengarten. Ihr Blick wirkte klar und zugleich entrückt. Monk rätselte, was er bedeuten mochte.
    »Und sie hat einen wunderbaren Geschmack für Kleider«, fuhr sie fort. »Ich warte immer gespannt darauf, was sie als nächstes anzieht. Das muß Friedrich ein Vermögen gekostet haben, aber er war unendlich stolz auf sie. Was immer sie in der einen Woche trägt, in der nächsten ist es die große Mode. Ihr steht aber auch alles. Sie sieht einfach wunderbar aus, verstehen Sie. So feminin.«
    Er betrachtete Evelyns goldbraunes Kleid mit seinen gewaltigen Röcken, dem fein gearbeiteten, über dem Busen mit zarten Spitzen besetzten Mieder, der betonten Taille und den weiten Ärmeln. Sie hatte es nicht nötig, andere um deren Gaben zu beneiden. Unwillkürlich erwiderte er ihr Lächeln.
    Vielleicht las sie ihm die Bewunderung an den Augen ab, jedenfalls zwinkerte sie und senkte den Blick. Dann setzte sie sich lächelnd wieder in Bewegung. Die Anmut ihrer Schritte verriet ihre Zufriedenheit.
    Monk folgte ihr und erkundigte sich nach den Wochen vor Friedrichs Unfall, dem Leben im venezianischen Exil und auch dem Leben am Hof vor Gisela. Das Bild, das sie ihm zeichnete, war voller Farben und Abwechslung, zeigte aber auch die steife Förmlichkeit am Hof und die strenge Disziplin, der die Königsfamilie unterworfen war. Dort herrschte Luxus, wie er ihn nie geahnt, geschweige denn gesehen hatte. Er kannte niemanden in London, der soviel Geld ausgab, wie es nach Evelyns beiläufiger Schilderung in Felzburg der Fall zu sein schien.
    Monk schwirrte der Kopf. Einerseits lockten ihn Evelyn und ihre Schilderungen, gleichzeitig war er zur Genüge mit dem Hunger, den Erniedrigungen, der ständigen Angst und den Gebrechen derer vertraut, die von früh bis spät arbeiten mußten und trotzdem nicht genug zum Leben hatten. Voller Unbehagen dachte er auch an die Bediensteten, die dazu da waren, den Gästen dieses vornehmen Hauses jeden Wunsch von den Augen abzulesen, damit sie Tag und Nacht von einem Vergnügen zum nächsten schreiten konnten.
    Und doch ginge ohne Worte wie Wellborough Hall unendlich viel Schönheit verloren. Monk fragte sich, wer denn nun glücklicher war: die hinreißende Gräfin, die durch die Gärten flanierte, mit ihm flirtete und von allen möglichen Festen und Maskenbällen in den Hauptstädten Europas erzählte, oder der Gärtner, der fünfzig Meter vor ihnen verwelkte Rosenblüten abschnitt und mit geschickten Händen die Ranken von Jungpflanzen um die Gitter der Spaliere flocht. Wer nahm die Blüten bewußter wahr? Und wer fand mehr Freude daran?
    Auch an diesem Abend konnte Monk das Dinner nicht genießen, und sein Unwohlsein wurde noch gesteigert, als Lord Wellborough ihn diskret bat, ihn und die anderen für den

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