Die russische Gräfin
Rest des Abends zu entschuldigen. Sie wollten eine höchst delikate Angelegenheit besprechen, mit der Monk zwar inzwischen vertraut sei, die aber nur sie direkt betreffe. Er als Nichtbeteiligter habe doch sicher Verständnis, wenn sie unter sich bleiben wollten. In der Bibliothek gebe es übrigens einen recht guten Armagnac und exzellente holländische Zigarren…
Monk war wütend, brachte aber ein Lächeln und eine diplomatische Antwort zuwege. Er hatte so sehr gehofft, bei der Erörterung dabei sein zu können, und sich auch schon einen Vorwand zurechtgelegt, wie er als unvoreingenommener Dritter neue Ideen einbringen könne. Nun, es war verständlich, wenn sie ihn zwar als interessanten Gast, aber eben auch als Außenseiter betrachteten. So hatte Monk auf Protest verzichtet und war froh, daß wenigstens Stephan teilnehmen und ihm das Wesentliche berichten konnte.
Immerhin ergab sich für Monk am nächsten Tag die Gelegenheit, Dr. Gallagher aufzusuchen, den Arzt, der Friedrich nach seinem Sturz bis zu seinem Tod betreut hatte.
Während alle anderen jagen gingen, täuschte Stephan eine Handverletzung vor und bat Monk, ihm zum Arzt zu begleiten, da er selbst die Gig nicht lenken könne.
»Worum ging es denn gestern?« fragte Monk, sobald sie die Straße zum Dorf hinunterfuhren. Obwohl er am Morgen wieder mit Stephan in den Gärten spazierengegangen war, konnte er erst jetzt in der frischen, klaren Herbstluft seine Beklemmungen abschütteln.
»Ich muß Sie enttäuschen«, erklärte Stephan bedauernd.
»Anscheinend konnte ich mich an mehr erinnern als alle anderen. Nur dank mir wissen einige heute mehr als gestern abend noch.«
Monk runzelte die Stirn. »Nun, alles werden Sie ihnen wohl kaum gesagt haben. Aber zumindest wissen wir jetzt, was sie sagen werden, wenn es zum Prozeß kommt.«
»Aber Sie haben das Gefühl, eine Gelegenheit verpaßt zu haben, nicht wahr?«
Monk nickte stumm. Er war zu wütend, um etwas zu sagen, und nahm sich vor, Rathbone nichts davon zu melden.
Dr. Gallagher war ein liebenswürdiger Herr um die fünfzig, den es keineswegs störte, seine Bücher beiseitezulegen und die zwei Herren hereinzubitten.
»Na, so was«, sagte er freundlich. »Lassen Sie mich mal sehen, Baron von Emden. Das rechte Handgelenk, nicht wahr?«
»Bitte verzeihen Sie mir meine kleine Täuschung, Doktor.« Lächelnd schüttelte Stephan beide Hände, um ihm zu zeigen, wie beweglich sie waren. »Es geht um eine ziemlich heikle Angelegenheit, die ich nicht an die große Glocke hängen wollte. Ich hoffe, Sie haben Verständnis dafür. Mr. Monk…« – er deutete auf den neben ihm stehenden Ermittler – »hilft uns bei der Untersuchung der ungeheuerlichen Vorwürfe der Gräfin Rostova.«
Gallagher starrte ihn verständnislos an.
»Ach, Sie haben noch nichts davon gehört?« Stephan zog ein bekümmertes Gesicht. »Ich fürchte, sie benimmt sich äußerst… ungewöhnlich. Die ganze Angelegenheit wird wohl vor Gericht geklärt werden müssen.«
»War für eine Angelegenheit?«
»Der Tod von Prinz Friedrich«, sprang Monk ein. »Es tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen, aber sie äußert in aller Öffentlichkeit den Verdacht, er sei nicht infolge des Unfalls gestorben, sondern vergiftet worden.«
»Was?« rief Gallagher entsetzt. »Was meinen Sie damit? Doch nicht etwa, daß… daß ich…?«
»Nein, nein, natürlich nicht Sie!« beschwichtigte Monk ihn hastig. »Kein Mensch hat im entferntesten daran gedacht. Es ist die Witwe, Prinzessin Gisela, die sie beschuldigt.«
»O Gott, wie entsetzlich!« Gallagher wich benommen zurück und plumpste auf seinen Stuhl. »Wie kann ich helfen?«
Stephan setze schon zu einer Antwort an, doch Monk kam ihm zuvor. »Man wird Sie zweifelsohne um eine Aussage bitten, es sei denn, wir finden genügend Beweise, die sie zwingen, die Beschuldigungen fallenzulassen und sich in aller Form zu entschuldigen. Sie könnten uns wertvolle Hilfe leisten, wenn Sie unsere Fragen freimütig beantworten. Dann wüßten wir, wo wir stehen und was wir schlimmstenfalls zu befürchten haben, wenn sie einen gewitzten Anwalt an ihrer Seite hat.«
»Gewiß! Gewiß! Ich stehe Ihnen ganz zur Verfügung!« Gallagher preßte sich die Hand an die Stirn. »Arme Frau. Erst verliert sie ihren Mann, den sie über alles liebt, und dann wird sie auf so teuflische Weise verleumdet, noch dazu von einer Frau, die sie für ihre Freundin hielt! Fragen Sie mich, was Sie wollen!«
Monk setzte sich ihm gegenüber
Weitere Kostenlose Bücher