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Die russische Gräfin

Die russische Gräfin

Titel: Die russische Gräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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jemanden?«
    Daraufhin blieb Dagmar so lange stumm, daß Hester schon fürchtete, sie hätte die Frage nicht gehört.
    »Wer könnte der politische Nutznießer sein?« präzisierte sie.
    »Ich sehe niemanden. Ich habe mir den Kopf darüber zerbrochen, aber mir fällt niemand ein, der etwas davon haben könnte. Ich fürchte, es war nichts als ein dummer Fehler. Statt vom Verstand hat sie sich von Neid leiten lassen und ist ihrer blühenden Phantasie erlegen. So leid es mir tut, das wird ihr Ende sein.«
    Wie Hester bald erfuhr, hatte Bernd eine ganz andere Meinung. Diesmal lenkte sie das Gespräch etwas geschickter auf ihr Anliegen. Sie war gerade bei strömendem Regen von einem Gang zurückgekehrt und strich sich an den Stellen, die der Umhang nicht verdeckt hatte, das Wasser vom Rock, als Bernd mit einer Zeitung in der Hand die Vorhalle durchquerte.
    »Oh, einen schönen guten Tag, Miss Latterly. Sie sind ja naß geworden! Im Salon ist geheizt, wenn Sie sich aufwärmen wollen. Polly wird Ihnen sicher Tee und Gebäck bringen, wenn Sie sie darum bitten.«
    Sie nahm das Angebot gerne an. »Danke! Aber störe ich Sie nicht?« Sie schielte auf die Zeitung.
    »Aber nicht doch!« Er wedelte zerstreut mit dem Blatt. »Ich habe sie ausgelesen. Voller Skandalgeschichten, und das meiste sind pure Spekulationen.«
    »Jetzt, da der Prozeß immer näher rückt, machen sich die Leute wohl so ihre Gedanken«, sagte sie hastig. »Es ist ja wirklich ein hochromantischer Stoff, und auch wenn diese Beschuldigung bestimmt aus der Luft gegriffen ist, stellt sich wohl jedem als erstes die Frage nach dem Grund.«
    »Rache, könnte ich mir denken«, sagte er stirnrunzelnd.
    »Aber womit kann sich Gräfin Zorah rächen, wenn sie verliert? Könnte es mit der Königin zu tun haben?«
    Er sah sie verwirrt an. »Wie kommen Sie darauf?«
    »Nun ja, offenbar lehnt die Königin Gisela vehement ab. Ist Zorah eigentlich eine Anhängerin der Königin?«
    Bernds Gesicht nahm einen harten Zug an. »Nicht daß ich wüßte.« Er machte Anstalten, zum Salon zu gehen. Offenbar betrachtete er das Gespräch als beendet.
    Hester eilte ihm nach. »Sie glauben also nicht, daß die Antipathie der Königin gegen Gisela in diesem Fall eine Rolle spielt?« fragte sie. Diese Theorie ergäbe in ihren Augen wenigstens im Ansatz einen Sinn. Ulrike hatte Gisela anscheinend nie verziehen, und jetzt gab sie ihr wohl direkt oder indirekt die Schuld an Friedrichs Tod.
    Sie betraten nun den Salon. Mit einem etwas heftigen Zug an der Schnur neben der Tür klingelte Bernd nach dem Dienstmädchen.
    »Andererseits«, spann Hester ihren Gedanken fort, »hätte er vielleicht nie einen Reitunfall gehabt, wäre er nicht ins Exil gegangen. Und selbst wenn, zu Hause wäre er garantiert anders gepflegt worden. Vielleicht hat sich Ulrike da so sehr hineingesteigert, daß sie Gisela am Ende tatsächlich einen Mord zugetraut hat. Wahrscheinlich hat sie Gisela in den letzten zwölf Jahren kein einziges Mal gesehen und weiß nur das, was andere ihr berichten oder was sie sich selbst einbildet.«
    Das Dienstmädchen erschien nun in der Tür, und Bernd bestellte zwei Portionen Tee und Sauerteigfladen mit Butter.
    »Ich halte das für unwahrscheinlich«, brummte er, sobald das Mädchen die Tür hinter sich zugezogen hatte. »Es ist eine äußerst unschöne Angelegenheit, mit der ich zum Glück nichts zu tun habe. Es wäre mir lieber, wir würden darüber sprechen, wie meinem Sohn am besten geholfen werden kann. Er wirkt ja in den letzten Tagen weitaus aufgeräumter…, auch wenn ich nicht wünsche, daß er zu abhängig von der jungen Miss Stanhope wird. Sie ist nicht kräftig genug, um regelmäßig beschäftigt zu werden, und meiner Meinung auch nicht unbedingt der passende Umgang.«
    »Warum haßte die Königin Gisela sogar schon vor der Hochzeit mit Friedrich?« drängte Hester verzweifelt.
    Sein Gesicht erstarrte. »Ich weiß es nicht, Miss Latterly. Und es ist mir auch egal. Ich habe genügend Kummer mit meiner Familie, um mich mit den selbstverschuldeten Problemen anderer zu befassen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mich bei der Entscheidung für eine geeignete Dauerpflegekraft für Robert beraten könnten. Ich dachte, Sie kennen vielleicht den einen oder anderen jungen Mann mit einwandfreiem Charakter und freundlicher Art, der vielleicht auch einen Hang zu Literatur und Wissenschaft hat und Robert nicht nur betreuen, sondern ihm auch ein angenehmer Gefährte sein kann.«
    Hester war

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