Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die russische Gräfin

Die russische Gräfin

Titel: Die russische Gräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
enttäuscht – nicht nur Rathbones, sondern auch Victorias wegen. »Ich werde mich erkundigen, wenn Sie das möchten. Es gibt sicher den einen oder anderen jungen Mann, der sich hervorragend eignen würde. Wünscht Robert es sich so?«
    »Wie bitte?«
    »Hat Robert diesen Wunsch geäußert?« wiederholte sie.
    »Was Robert sich wünscht, können wir nicht erfüllen«, sagte er traurig. »Aber einen Pfleger braucht er, Miss Latterly.«
    Sie gab sich geschlagen. »Sehr wohl, Baron Ollenheim. Ich werde mich umhören.«

7
    Monk trat die Reise gegen Norden weitaus vergnügter an, als sein Auftrag vermuten ließ. Evelyn saß im selben Zug, und er freute sich schon auf das nächste Stelldichein mit ihr. Sie war entzückend, elegant und so wunderbar feminin. Mit ihrem Witz, ihrer überschäumenden Lebensfreude steckte sie alle in ihrer Umgebung an und brachte Monk ein ums andere Mal zum Lachen.
    Der Engländer verließ Venedig mit leisem Bedauern. Die Schönheit dieser Stadt war mit nichts zu vergleichen, und er würde nie wieder Licht auf sich kräuselndem Wasser sehen können, ohne sich an die Lagunenstadt erinnert zu fühlen. Doch gab es dort auch Trauer. Venedig war eine sterbende Stadt und dazu von einer fremden Armee besetzt. Der Blick war auf die Vergangenheit gerichtet; man war verunsichert, wütend, aber auch bereit, für die Zukunft zu kämpfen. Die Bevölkerung war dreigeteilt: in die Einheimischen, die deprimiert und voller Haß auf den Tag warteten, an dem sie zurückschlagen konnten; die jetzt fern ihrer Heimat stationierten Österreicher, die wußten, daß sie in dieser jahrhundertealten, erhabenen Kultur unerwünscht waren; und schließlich die ihrer Wurzeln beraubten Exilanten, die von Erinnerungen und Träumen zehrten, an die nicht einmal sie selbst mehr glaubten.
    Als die Reisenden sich bei einem Halt im nächsten Bahnhof die Beine vertraten und Monk Evelyn traf, versuchte er, ihr von seinen Gedanken zu erzählen – vergeblich, denn sie wollte sich nur waschen und schön machen und hatte kein Interesse an ernsten Gesprächen. Außerdem stand im Hintergrund mit hochgezogenen Schultern der Hüne Klaus. Er plante bereits seine Besprechungen nach der Ankunft in Felzburg und fauchte mißgelaunt die Bahnarbeiter und seine Bediensteten an. Monk schien er gar nicht wahrzunehmen.
    Evelyn verdrehte theatralisch die Augen und schenkte Monk ein bezauberndes Lächeln, als sei das Ganze nur noch lustig. Dann folgte sie – nach außen hin pflichtbewußt – ihrem Mann in den Waggon, allerdings nicht ohne Monk noch schnell einen Blick über die Schulter zuzuwerfen.
    Und schon ging es wieder weiter in Richtung Norden. Monk schaute unentwegt auf die vorbeigleitende Landschaft hinaus. Irgendwann nickte er ein, nur um nach kurzer Zeit wieder mit einem Ruck hochzufahren. Eine Erinnerung hatte ihn geweckt. Zunächst wußte er nicht, wohin er unterwegs war. Er dachte an Liverpool. Seine Erinnerung hatte mit Schiffen zu tun. Einen Moment lang sah er nichts als riesige Überseedampfer, Masten vor stürmischem Himmel, gegen Dockmauern klatschende Wellen und den grauen Fluß Mersey. Mit der Flut glitten neue Schiffe herein. Vor ihm türmten sich Holzbuge auf. Er hatte den Geruch von Salz, Teer und Tauen in der Nase.
    Er fühlte sich unendlich erleichtert wie nach einer gerade noch überstandenen Gefahr. Es war eine persönliche Angelegenheit gewesen. Und er war allein gewesen, bis jemand Kopf und Kragen riskiert und ihn gerettet hatte. Man hatte ihm in einer Situation Vertrauen geschenkt, in der er es gar nicht verdient hatte, doch diesem Vertrauen verdankte er seine Rettung.
    Eine unbekannte Landschaft mit ungewohnten Bergen und Bäumen glitt an ihm vorbei. Das rhythmische Rattern und Schwanken beruhigte ihn. Es war so schön gleichmäßig. Aber was er da durch das Fenster sah, hatte nichts von der englischen Landschaft, die er kannte. Es war nicht grün genug und zu steil. Nein, das konnte nicht die Strecke nach Liverpool sein. Noch war er ganz benommen und konnte nicht richtig denken. Irgend jemandem war er unendlich zu Dank verpflichtet, aber wem?
    Der Waggon hatte Trennwände zwischen den einzelnen Sitzreihen, so daß jeder Reisende für sich sein konnte. Dennoch sah Monk, daß ein Mann weiter vorne eine italienische Zeitung las. Wo hatte er die nur her?
    Monk richtete den Blick auf das Gepäcknetz über ihm. Dort waren seine Koffer untergebracht. Auf dem Aufhänger stand »Felzburg«.
    Aber natürlich! Mit einem Schlag war

Weitere Kostenlose Bücher