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Die russische Gräfin

Die russische Gräfin

Titel: Die russische Gräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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sie fast natürlich zu fallen schienen. Mit durchgestreckten Schultern und geradeaus gerichtetem Blick stand sie in der Mitte des Raums.
    Erst als Monk ihr vorgestellt werden sollte und näher trat, bemerkte er, daß sie nicht größer war als der Durchschnitt. Doch ihre Augen ließen ihn erstarren. Ein solch klares Aquamarin hatte er noch nie gesehen.
    Dann wurde sein Name aufgerufen.
    »Majestät.« Er verneigte sich tief.
    Sie musterte ihn mit kühler Höflichkeit. »Graf Lansdorff sagt mir, daß Sie ein Freund von Stephan von Emden sind, Mr. Monk.«
    »Jawohl, Ma’am.«
    »Er lernte Sie im Haus von Lord Wellborough kennen, wo mein armer Sohn den Tod fand«, fuhr sie mit unbewegter Stimme fort.
    »Ich hielt mich dort ein paar Tage lang auf«, bestätigte er und überlegte, was Rolf ihr gesagt hatte und warum sie gerade dieses Thema anschnitt.
    »Wenn Sie mit Baron von Emden befreundet sind, dann kennen Sie womöglich auch Gräfin Rostova?«
    Sein erster Impuls war, es aus Selbstschutz zu leugnen. Doch als er ihr in die klaren, kühlen Augen sah, verblüffte, ja, erschreckte ihn deren Wachheit. Dazu glaubte er, darin noch etwas anderes zu erkennen, entweder tiefere Emotionen oder eine Willensanstrengung, sie zu verbergen.
    »Ich kenne sie, Ma’am, aber nur oberflächlich.« Bei einer solchen Frau bot nur die Wahrheit Sicherheit. Vielleicht wußte sie es ja ohnehin schon.
    »Eine Frau mit zweifelhaftem Geschmack, aber unbestreitbarem Patriotismus«, sagte sie mit einem müden Lächeln. »Hoffentlich wird sie den Sturm um sie herum überleben.«
    Monk schnappte nach Luft.
    »Gefällt es Ihnen in Felzburg, Mr. Monk?« erkundigte sie sich, als wäre das erste Thema nur Small talk gewesen. »Jetzt haben wir die richtige Saison für Konzerte und Theateraufführungen. Ich würde mich freuen, wenn Sie auch Gelegenheit zu einem Opernbesuch hätten.«
    Damit gab sie zu verstehen, daß das Gespräch beendet war.
    »Vielen Dank, Ma’am. Ich werde gewiß begeistert sein.« Er verbeugte sich noch einmal und entfernte sich benommen.
    Monk hätte sich unbändig auf den Abend freuen sollen, wurde doch ein Ball veranstaltet, zu dem ihm Eugen eigens eine Einladung besorgt hatte und bei dem er auch Evelyn wiedersehen würde. Doch allzubald mußte er nach London und in die Realität seines jetzigen Lebens zurückkehren. Welche Umstände auch immer ihn seinerzeit gezwungen hatten, in den Polizeidienst zu treten, der Luxus hier, die Unbeschwertheit, mit der er sich zu vergnügen wußte, hatten zu seiner Vergangenheit gehört, die er bestenfalls bruchstückhaft rekonstruieren konnte, zu der es kein Zurück mehr gab. Nun, zumindest für die ihm noch verbleibende Zeit hatte er sich vorgenommen, nicht mehr an die Vergangenheit zu denken. Was zählte, war die Gegenwart. Er wollte sie bis zur Neige auskosten.
    An diesem Abend kleidete er sich sorgfältig, aber auch mit Genugtuung. Er überprüfte im Spiegel noch einmal, ob alles saß und lächelte sein Ebenbild an. In den schönen Kleidern machte er einen eleganten und entspannten Eindruck. Und sein Gesicht wirkte alles andere als schüchtern, vielmehr abgeklärt und leicht belustigt.
    Er wußte, daß Evelyn ihn aufregend fand. Nun, er hatte ihr gegenüber gerade genug angedeutet, um ihre Neugierde zu wecken. Und weil er so anders war als ihre sonstigen Bekannten und sie bestenfalls raten konnte, was hinter der Fassade steckte, war er auch gefährlich. Das brauchte sie ihm nicht mit Worten zu sagen. Er wußte es ganz einfach. Es war ein Spiel, ein herrliches Spiel mit raffinierten taktischen Finessen. Und sein besonderer Reiz bestand darin, daß es um einen echten Einsatz ging nicht Liebe, nicht um etwas, das für einen Menschen so unendlich kostbar und schmerzhaft sein konnte, aber um ein Gefühl, das er nicht so schnell vergessen würde, auch dann nicht, wenn er schon längst abgereist war. Vielleicht würde es von nun an immer dann aufleben, wenn eine entzückende Frau sein Begehren weckte.
    Der Ball wurde in einem wahren Prachtpalast veranstaltet. Monk schritt die Treppe zum Portal betont langsam empor. Nur seine Würde verbot es ihm, zwei Stufen auf einmal zu nehmen. Dabei fühlte er sich so leichtfüßig und barst schier vor Energie.
    Das Haus war lichtdurchflutet. Draußen loderten Fackeln in gußeisernen Ständern, drinnen konnte er schon durch die offenen Türen und die hohen Fenster Dutzende von Lüstern brennen sehen. Und an seine Ohren drang bereits ein vielfaches

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